Bergrichters Erdenwallen
der im Polizeiblatt ausgeschriebenen, berichtigten Anna Mayer sei, wird gehorsamst erwüdert: Die eine Anna Mayer ischt mit der berichtigten und ausgeschriebenen Anna Mayer nahezu identisch , die zweite Anna Mayer ischt mit der berichtigten Anna Mayer schon mehr als identisch !“ [9]
„Ja, die Vorsteherberichte!“ sprach der Präsident leise, legte den Bogen wieder auf den Tisch und verließ die Amtsstube des aufatmenden Kanzlisten.
Um dem Inspektionsbeamten bei Tisch Gesellschaft leisten zu können, speiste Ehrenstraßer mit dem Präsident im Gasthof und nachmittags begaben sich beide über den Sattel zur Cementfabrik.
Im langsamen Anstieg wurde der Fall Ratschiller abermals durchgesprochen. Ehrenstraßer konnte mitteilen, daß eine Anfrage der Triestiner Assekuranzanstalt eingelaufen sei, ob die Nachricht von dem Raubmord, begangen an dem hochversicherten Cementfabrikanten Ratschiller auf Wahrheit beruhe.
„Das Gericht ischt doch keine Auskunftei!“ meinte der keuchende Oberbeamte.
„Zum mindesten wird sich die Gesellschaft bis zum Abschluß der Untersuchung gedulden müssen.“
Ein mächtiger Knall unterbrach das Gespräch, und gleich darauf ertönten abermals gewaltige Schüsse.
„Was ischt denn los?“ fragte der Präsident.
„Mutmaßlich Sprengschüsse!“
„Aber sehr kräftige. Wahrscheinlich Dynamit!“
„Ratschiller ließ mit dem ungleich kräftiger wirkenden Janit sprengen.“
Nach einer halben Stunde Weges erreichten die Beamten die Fabrik, welche wie ausgestorben schien. Nirgends war ein Arbeiter zu sehen, selbst die qualmenden Brennöfen waren ohne Bedienung. Ehrenstraßer richtete forschende Blicke in die bergige Umgebung und gewahrte alsbald einen Knäuel lebhaft erregter Menschen am Eibenberge.
Sogleich begaben sich die Herren ebenfalls hinauf.
Hundertpfund erblickte sie, eilte ihnen in hochgradiger Erregung entgegen und rief. „Ein kolossaler Erfolg! Eine beispiellose Überraschung!“
Der Richter fragte hastig. „Was ischt geschehen?“
„O! Wenn der arme Chef das vor wenigen Tagen erlebt hätte! Wir haben neuerdings soeben gesprengt und ein Mergellager ist bloßgelegt von einer außerordentlichen Mächtigkeit! Wir haben auf Jahrzehnte hinaus reichlich Brennstein zu Portlandcement!“
Ehrenstraßer stand betroffen und der Präsident fragte. „So hatte man vor einigen Tagen vermeintlich Mangel an Stein?“
„Ja! Die früheren Sprengungen waren nahezu gänzlich erfolglos! Noch vor drei Tagen war der Chef, Gott hab ihn selig, trostlos über den Steinmangel! Und heute dieser riesige Erfolg! O, wenn Ratschiller das noch erlebt hätte!“
Der Präsident wechselte mit Ehrenstraßer einen bedeutungsvollen Blick; dann besichtigten die Herren unter Hundertpfunds Führung den Steinbruch, woselbst auch Laien erkennen konnten, daß ein mächtiges Mergellager geöffnet sei.
Das Gutachten des Bergingenieurs war also doch völlig richtig, Ratschiller sen. hat sich zu früh der Verzweiflung überlassen und ist übereilt aus dem Leben geschieden.
Hundertpfund eilte in die Fabrik, um die überwältigende Neuigkeit telephonisch dem jungen Fabrikherrn zu melden.
Für die Gerichtsherren war das Urmotiv des Selbstmordes gefunden, ein weiteres Verweilen zwecklos, weshalb der Rückweg angetreten wurde unter lebhafter Erörterung dieser überraschenden Schicksalsfügung.
Am Abend reiste der Präsident ab.
Tags darauf beendete Ehrenstraßer die Untersuchung, und schloß den Akt Ratschiller in Bezug auf den klargelegten Selbstmord. Der verhaftete Streuner wurde in Freiheit gesetzt.
Für den gewissenhaften Richter kam nun die schmerzlichste Stunde, die Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses an den jungen Ratschiller von Amts wegen.
Franz ward auf nachmittags drei Uhr citiert und pünktlich fand er sich in der Kanzlei des Richters ein.
Ehrenstraßer war bleich, in nervöser Erregung, als er nach kurzer Begrüßung dem jungen Ratschiller eröffnete: „Ich habe Ihnen amtlich mitzuteilen, daß nach abgeschlossener, gewissenhafter Untersuchung kein Raubmord vorliegt!“
„Um Gotteswillen, was dann?“
„Es ischt mir höchst schmerzlich, Ihnen die volle Wahrheit sagen zu müssen. Ihr Herr Vater, Gott hab' ihn selig, hat seinem Leben selbst ein Ende gemacht!“
„Allmächtiger Gott!“ stöhnte Franz in namenloser Qual, fassungslos, verzweifelnd.
Liebreich versuchte Ehrenstraßer zu trösten und dem schier gebrochenen Mann Mut zuzusprechen.
Nach etwa einer Stunde verließ Franz
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