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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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heißer, je mehr er sich der Stadt näherte.
    Im Bezirksgerichte herrschte rege Thätigkeit, hervorgerufen durch die unerwartete Ankunft des inspizierenden Präsidenten vom Kreisgericht. Die Kunde von dem Raubmord war durch den Telegraphen auch im Kreisgericht sehr schnell bekannt geworden und hatte den Präsidenten, der ohnedies eine Inspektion des Bezirksgerichtes beabsichtigte, veranlaßt, sich sofort in das Amtsstädtchen zu begeben. Da Ehrenstraßer nicht anwesend war, nahm der Präsident unterdessen die Inspizierung im Gerichte vor und ließ sich von dem Adjunkten über den überraschenden „Fall Ratschiller“ soweit als möglich informieren.
    Als Ehrenstraßer in seiner Kanzlei erschienen war, wurde der Präsident sogleich verständigt, der nun den Richter aufsuchte und sich in den Fall vertiefte, indem er den Akt zu lesen begann mit wachsendem Erstaunen.
    „Das ischt ein Fall von großem Interesse!“ rief der Präsident nach beendigter Lektüre und ersuchte um Mitteilung weiterer Untersuchungsergebnisse, die noch nicht zu Papier gebracht sind.
    Ehrenstraßer erstattete ausführliche Meldung, die mehrere Stunden beanspruchte, da der Präsident jedes einzelne Moment der Untersuchung überprüfte und besprach.
    Das Raffinement in der Vorbereitung des Selbstmordes und die versuchte Täuschung überraschte selbst den alten, diensterfahrenen Präsidenten, welcher rückhaltslos die Sorgfalt in der Führung dieser Untersuchung lobend anerkannte und dann zu einer Erörterung der durch den aufgedeckten Selbstmord geschaffenen Situation überging.
    „Wahrscheinlich stand der Verstorbene in finanziellen Schwierigkeiten?“ fragte der Oberbeamte.
    „Aus den Büchern ergiebt sich wohl ein geringer Barbestand, doch sind bedeutende Außenstände zu gunsten der Firma vorhanden. Ratschiller war ungewöhnlich hoch in der Lebensversicherung eingekauft.“
    „Richtig, die Police liegt ja im Akt. Die Assekuranzsumme wollte Ratschiller vermutlich für die Relikten retten, daher der Täuschungsversuch. Mir will indes scheinen, als ob das Motiv zum Selbstmord doch tiefer liege, auf einem Gebiete, das wir in den Büchern nicht vorfinden. Haben Sie hierüber Erhebungen gepflogen?“
    Ehrenstraßer stutzte, an das gewissermaßen treibende, zwingendste Motiv hat er noch nicht gedacht und deshalb auch nicht darnach geforscht. Wo aber suchen, wie vorgehen?
    „Ich wiederhole meine vollste Anerkennung für die bisher von Ihnen geführte Untersuchung und die erzielten, überraschenden Resultate. Der Akt kann aber nicht früher geschlossen werden, bis nicht über das Urmotiv völlige Klarheit geschaffen ischt. Mich interessiert der Fall außerordentlich; wenn Herr Kollege gestatten, beteilige ich mich unterstützend an den weiteren Erhebungen. Ich möchte das Grundmotiv wahrhaftig selber kennen lernen, und scheue die Mühe keineswegs. Glauben Sie, daß wir im Fabrikbetrieb einen Anhaltspunkt finden könnten?“
    „Die Möglichkeit ischt vorhanden. Der Fabrikleiter dürfte zweifellos von Schwierigkeiten und dergleichen Kenntnis haben.“
    „Sind Herr Kollege zufällig über die Cementfabrikation eingehender informiert?“
    „Ich denke diese Frage mit ja beantworten zu können!“
    „Was kann einem Cementfabrikanten beispielsweise eine enorme Schwierigkeit verursachen?“
    „Steinmangel!“
    „Heureka! Da haben wir ja das Urmotiv! Ergiebt sich bei Ratschiller thatsächlich Mangel an brauchbarem Stein, und davon muß der Fabrikleiter unbedingt Kenntnis haben, so ischt das Motiv für den Selbstmord sonnenklar aufgedeckt!“
    Ehrenstraßer biß sich auf die Zunge; an die Möglichkeit hat er wirklich nicht gedacht.
    Feierliches Glockengeläute war in diesem Augenblick hörbar.
    Ehrenstraßer seufzte erleichtert auf, das Geläute gilt dem Fabrikherrn, dessen Leiche eben zu Grabe getragen wird. So ist denn das kirchliche Begräbnis gesichert, ohne Pflichtverletzung des Untersuchungsrichters.
    Da der Präsident nun andere Fragen an den Gerichtsvorstand richtete, kam Ehrenstraßer der Fall des Einödpaters in Erinnerung und fragte er daher an, ob eine spezielle Vernehmung des alten Priesters in der Einöde stattfinden müsse.
    „Glauben Sie, daß der Geistliche das Bewußtsein der Beihilfe gehabt hat?“
    „Nein, ich halte dies für ganz unwahrscheinlich!“
    „Dann schlagen wir die Sache nieder, der betreffende Akt kann geschlossen werden.“
    Es dämmerte, als die Gerichtsherren ins Freie traten und sich nach der Verabredung, morgen

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