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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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gezwungen, den Ausflug zur Fabrik auf den Nachmittag zu verschieben. Der hiervon verständigte Präsident führte inzwischen die Gerichtsinspektion völlig durch, wobei er auch in die Amtsstube des Kanzlisten geriet, und zwar in dem Augenblick, als dieser, ein bärbeißiger, alter Schreiber, einen Bergbauer scharf rüffelte.
    Natürlich beendete der Kanzlist augenblicklich die derbe Rede, doch der Präsident hatte rasch die Situation erfaßt und beeilte sich, dem Gerichtsschreiber auseinanderzusetzen, daß Höflichkeit auch bei Gericht geübt werden müsse.
    „Sehr wohl!“ erwiderte unter tiefer Verbeugung der Kanzlist.
    „Jawohl! Ich muß dringendst ersuchen, alle zu Gericht kommenden Parteien, auch widerhaarige Bergbauern, mit größter Höflichkeit zu behandeln. Die Leute haben ein Recht darauf zufolge der überlegenen Bildung, welche den Beamten Noblesse zur unabweisbaren Pflicht macht!“
    „Wie Ew. Gnaden befehlen!“ echote der Kanzlist.
    In diesem Augenblick prasselte der Amtsdiener in die Stube mit der Meldung, daß schon wieder so ein Bergrammel draußen sei, und mit dem Herrn Kanzlisten reden wolle.
    Ob der Unterbrechung seiner Rede ergrimmt, rief der Präsident. „Donnerwetter, das Luder soll warten, bis ich ausgesprochen habe!“
    Das Grinsen auf den Gesichtern des Kanzlisten und Amtsdieners verschwand schnell, als der Präsident sie zu fixieren begann und erneut sich über das Gebot der Höflichkeit ausließ, auch im Falle, daß sich das Bergvolk der Übernamen gegenüber Gerichtspersonen bedienen sollte.
    Der Kanzlist wie der Amtsdiener standen, wie die Salzsäulen so starr und blickten in höchstem Erstaunen auf den Oberbeamten.
    „Haben Sie mich verstanden?“ fragte er weiter.
    Der Kanzlist erwiderte devot. „Mit Verlaub, Ew. Gnaden, nein!“
    „Sie wissen doch, was ein Übername ischt?“
    Aus dem Gesichtsausdruck konnte der Präsident ersehen, daß der Mann das absolut nicht weiß, weshalb der Beamte darauf hinwies, daß ein Übername gleichbedeutend mit Spitznamen oder Vulgonamen sei.
    „Wissen Sie, wie die Bergbauern z.B. Sie selbst, den Gerichtskanzlisten, unter sich zu benennen pflegen?“
    Der Kanzlist schüttelte den Kopf.
    „Das können wir vielleicht gleich eruieren!“ sagte der Präsident, der sich einen Spaß versprach und den Amtsdiener beauftragte, den wartenden Bauer hereinzubringen.
    Alsbald stand der knorrige Gebirgler in der Stube, arg verlegen darüber, daß sich außer dem ihm bekannten Kanzlisten noch ein Herr in der Kanzlei befand.
    Der Präsident fragte gleich, aus welcher Gemeinde der Bauer sei.
    „Aus Latschwies, gnä' Herr!“
    „Ah, kenne ich! Das ischt ja die witzigste Gemeinde von ganz Tirol! Dort besteht die Gepflogenheit ganz besonders, jedermann mit einem Übernamen zu belegen. Sagt 'mal, hat nicht auch der Gerichtskanzlist hier einen Beinamen?“
    „Ich wüßt' nicht, Ew. Gnaden!“ stotterte der Bauer.
    „Nur grad' heraus mit der Sprache! Wie nennt Ihr, wenn Ihr zu Hause oder im Wirtshause beim Rötel den hiesigen Gerichtskanzlisten?“
    „Sell kann ich decht nicht gut sagen in der Kanzlei!“
    Dem Kanzlisten wurde etwas schwül.
    „Ischt der Name denn so gefährlich?“ fragte schmunzelnd der Präsident.
    „Ich glaub' decht nicht, daß der Herr Kanzlist a Freud' hätt' wenn er ihn höret!“
    „So? Jetzt möchte aber schon ich auch den Namen wissen! Red' nur frei 'raus, es geschieht dir gar nichts!“
    Der Latschwieser zog sich langsam und rücklings gehend zur Kanzleithüre hin und griff nach der Klinke.
    „Halt! Dageblieben! Heraus mit dem Übernamen!“ rief der amüsierte Oberbeamte.
    „Wenn's decht sein muß. Tintenschlucker hoaßt er, der Herr Kanzlist!“ schrie der Bauer und sprang zur Thüre hinaus.
    Der Präsident schmunzelte über das geahnte Resultat dieser kleinen Namensforschung und tröstete den in höchster Verlegenheit stehenden, bis über die Ohren rot gewordenen Kanzlisten. „Na, nehmen Sie es nicht zu tragisch! Wer weiß, welche Übernamen uns selbst zugelegt sind!“
    Nach diesen Worten ließ sich der Oberbeamte den Bogen reichen, welchen der Kanzlist eben am Tisch zur Lektüre liegen hatte. Es war dies ein Bericht einer Gemeindevorstehung im Mittelgebirge mit folgendem Wortlaut.
    „Löbliches k. k. Bezirksgerücht! Der gehorsamst Underzeichnete kann nix dafir, das beim Gerücht gleichzeidig zwei Dirnen gleichen Namens eingeliefert worden sind. Auf die Anfrage, ob eine der beiden Dirnen mit Namen Anna Mayer identisch mit

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