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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Märzwahlen, Aprilwahlen wahrscheinlich, wohin, Josef Wirth? der mitteldeutsche Kampf geht weiter, es soll eine Schlichterkammer gebildet werden, Raubüberfall in der Tempelherrenstraße. Er hat seinen Stand am Ausgang der Ubahn nach der Alexanderstraße gegenüber dem Ufa-Kino, auf dieser Seite hat sich der Optiker Fromm ein neues Geschäft gebaut. Franz Biberkopf sieht die Münzstraße runter, als er zum erstenmal in dem Gedränge steht und denkt: wie weit ist es wohl zu den beiden Juden, die wohnen gar nicht weit, das war bei meinem ersten Malheur, vielleicht mach ich bei die mal Stippvisite, können mir mal einen »Völkischen Beobachter« abkaufen. Warum nicht, ob sie ihn mögen, ist mir egal, wenn sie ihn bloß abkaufen. Er grient bei dem Gedanken, und der ganz alte Jude in Latschen war doch zu komisch. Er sieht sich um, die Finger sind klamm, nebenan steht ein kleiner Verwachsener, der hat eine ganz krumme Nase, die ist wohl zerbrochen. Krisenalarm im Reichstag, das Haus Hebbelstraße 17 geräumt wegen Einsturzgefahr, Bluttat auf dem Fischdampfer, ein Meuterer oder ein Wahnsinniger.
    Franz Biberkopf und der Verwachsene pusten sich beide in die Hände. Vormittagsgeschäft ist flau. Ein dürrer älterer Mann, abgeschabt und mierig sieht er aus, der macht sich an Franzen ran. Hat einen grünen Filzhut auf und fragt Franzen, wie es mit Zeitung ist. Hat Franz auch mal gefragt. »Ob es für dich ist, Kollege, wer kann wissen.« »Ja, ich bin zweiundfuffzich alt.« »Na eben, daher, mit fuffzich fängt doch die Mauke an. Bei den Preußen hatten wir einen alten Hauptmann der Reserve, der war erst vierzich, aus Saarbrücken, Lotterieeinnehmer – das heißt, sagt er, vielleicht war er Zigarrenfritze –, der hatte die Mauke schon mit vierzich, im Kreuz. Da hat er aber stramme Haltung draus gemacht. Der ging wie ein Besenstiel auf Rollen. Der hat sich immer mit Butter einreiben lassen. Und wies keine Butter mehr gab, so 1917, und bloß noch Palmin, prima Pflanzenöl, und ranzig war es auch noch, da hat er sich totschießen lassen.«
    »Was hilfts, in der Fabrik nehmen sie einen auch nich mehr. Und voriges Jahr haben sie mir noch operiert, in Lichtenberg, Hubertuskrankenhaus. Ein Ei ist weg, soll tuberkulös gewesen sein, ick sage dir, ick hab noch Schmerzen.« »Na, sieh dir man vor, nachher kommt das andere auch noch ran. Da ist besser sitzen, da wirste besser Droschkenkutscher.« Der mitteldeutsche Kampf geht weiter, die Verhandlungen ergebnislos, Attentat auf das Mieterschutzgesetz, aufgewacht, Mieter, man nimmt dir das Dach über dem Kopf weg. »Ja, Kollege, Zeitungen kannste machen, aber laufen mußte können, und Stimme mußte haben, wie stehts mits Kehlchen, Rotkehlchen, kannst du singen? Na siehst du, das ist die Hauptsache bei uns, bei uns muß man singen können und laufen können. Wir brauchen gute Schreihälse. Die Lautsprecher machen das beste Geschäft. Eine ausgekochte Gesellschaft, sage ich dir. Kuck mal her, wieviel Groschen sind das?« »Für mich vier.« »Stimmt. Für dich vier. Darauf kommts an. Für dich. Aber wenns einer eilig hat, und dann sucht er in der Tasche, und einen Sechser hat er und dann ne Mark oder zehn Mark, frag mal die Brüder, von uns, die können alle wechseln. Was die gerissen sind, das sind die richtigen Bankiers, die verstehen sich auf Wechseln, ziehen ihre Prozente ab, merkst aber nichts davon, so rasch gehts.«
    Der Alte seufzt. »Ja, deine fuffzich Jahre und dann noch die Mauke. Kollege, wenn du Traute hast, dann läufste nicht allein, dann nimmste dir zwei Junge, mußt se natürlich bezahlen, kriegen vielleicht die Hälfte, aber du mußt das Geschäft besorgen, schonst die Beine und die Stimme. Verbindung mußt de haben und einen guten Platz. Wenns regnet, ist es naß. Zum guten Geschäft gehören Sportkämpfe, Regierungswechel. Bei Eberts Tod, sagen sie, haben sie ihnen die Zeitungen weggerissen. Mensch, mach bloß nich solch Gesicht, ist alles bloß halb so schlimm. Kuck dir drüben die Ramme an, stell dir vor, die fällt dir auf den Kopf, was brauchste dann noch groß nachzudenken?« Attentat auf das Mieterschutzgesetz. Die Quittung für Zörgiebel. Ich scheide aus der Partei des Prinzipienverrats. Englische Zensur über Amanullah, Indien darf nichts erfahren.
    Gegenüber am Häuschen von Radio Web – bis auf weiteres laden wir einen Akku gratis – steht ein blasses Fräulein mit einer Kappe tief ins Gesicht und scheint intensiv nachzudenken. Der Chauffeur vom

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