Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
Vom Netzwerk:
neu zufüllen. Am Nebentisch saßen drei ältere Männer, die strichen manchmal einer dem andern über die Glatze. Franz hatte die Backen voll, lächelte, seine Augenschlitze gingen herüber zu denen. »Wat machen denn die da?« Die Wirtin schob ihm Mostrich zu, den zweiten Topf: »Na, die werden sich lieben.« »Ja, det gloob ick.« Und sie meckerten, schmatzten, schluckten zu dritt. Immer wieder verkündete Franz: »Man muß sich auffüllen. Ein Mensch, der Kraft hat, muß essen. Wenn du die Plautze nicht voll hast, kannste nischt machen.«
    Das Vieh aus den Provinzen herangerollt, aus Ostpreußen, Pommern, Westpreußen, Brandenburg. Über die Viehrampen mähen und blöken sie. Die Schweine grunzen, schnüffeln am Boden. Im Nebel gehst du. Ein blasser junger Mann nimmt die Axt, hatz, das war ein Augenblick, das weiß nichts mehr.
    Um 9 gaben sie die Ellbogen frei, steckten sich Zigarren in die fetten Mäuler und fingen an, mit Rülpsen den warmen Imbißrauch von sich zu geben.
    Da leitete sich was ein.
    Zunächst kam ein grüner Junge in die Kneipe, hängte seinen Hut und Mantel an die Wand und schlug auf das Klavier.
    Das Lokal füllte sich. Am Ausschank standen welche und diskutierten. Neben Franz setzten sich welche an den Nachbartisch, ältere Männer in Mützen, ein jüngerer mit einem steifen Hut, Meck kannte die, das Gespräch ging hin und her. Der Jüngere mit seinen schwarzen blitzenden Augen, ein gerissener Junge aus Hoppegarten, erzählte:
    »Was die zuerst gesehen haben, wie sie nach Australien kamen? Erst mal Sand und Heide und Wiese und keine Bäume und kein Gras und kein nischt. Reine Sandwüste. Und dann Millionen und aber Millionen gelbe Schafe. Die existieren da wild. Die sinds gewesen, von wo die Engländer zuerst gelebt haben. Und die haben sie auch exportiert. Nach Amerika.« »Da brauchen sie grade Schafe aus Australien.« »Südamerika, verlaß dich drauf.« »Da haben sie soviel Ochsen. Die wissen ja selbst nicht wohin mit die vielen Ochsen.« »Aber Schafe, die Wolle. Wo in dem Land so viele Neger sind, die frieren. Na nu werden die Engländer nich wissen, wo sie mit ihre Schafe hinsollen. Die Engländer, für die brauchste zu sorgen. Aber was nachher mit de Schafen geworden ist? Jetzt kannste nach Australien fahren, hat mir einer erzählt, so weit, wie du kuckst, siehst du kein Schaf. Alles ratzekahl. Und warum? Und wo sind die Schafe?« »Raubtiere.« Meck winkte ab: »Wat Raubtiere! Viehseuchen. Das ist immer das größte Unglück fürs Land. Die sterben ab, und nachher stehst du da.« Der Junge mit dem steifen Hut war nicht der Meinung, daß Viehseuchen ausschlaggebend gewesen seien. »Viehseuchen werden es auch gewesen sein. Wo soviel Vieh ist, sterben auch manche, und dann faulen sie, und dann gibts Krankheiten. Aber davon kommt et nicht. Nee, die sind ins Meer gelaufen allesamt in einem Trab weg, wie die Engländer kamen. Das ist eine Furcht unter die Schafe gewesen, im Land, wie die Engländer kamen, und immer fangen und immer rin in die Waggons, da sind die Biester zu tausend gelaufen und immer ans Meer.« Meck: »Na und da. Da ist doch gut. Laß sie doch laufen. Da stehen natürlich die Schiffe. Da sparen die Engländer die Bahnspesen.« »Jawoll und Bahnspesen. Haste ne Winde. Das hat lange gedauert, bis die Engländer das überhaupt gemerkt haben. Die natürlich doch immer im Inland und gefangen und getrieben und in die Waggons und son riesiges Land und keene Organisation, wie das so im Anfang ist. Und nachher zu spät ist, zu spät. Die Schafe natürlich ans Meer und den Salzdreck gesoffen.« »Na und?« »Wat für und? Hab du mal Durst und nichts zu fressen und sauf egalweg Salzdreck.« »Ersoffen und krepiert.« »Na gewiß. Die sollen in dem da am Meer gelegen haben zu tausend und tausend und haben gestunken und immer weg damit.« Franz bestätigte: »Vieh ist empfindlich. Mit Vieh ist es sone Sache. Da muß man mit umgehen können. Wer nischt versteht davon, soll die Hände von lassen.«
    Alle tranken betroffen und tauschten Bemerkungen über das verschleuderte Kapital und was da so alles vorkommt, daß die in Amerika sogar Weizen verfaulen lassen, ganze Ernte, kommt alles vor. »Nee«, erklärte der aus Hoppegarten, der Schwarzäugige, »da gibts noch viel mehr von Australien. Davon weiß man gar nichts, und in die Zeitungen steht nichts, und die schreiben nichts, wer weiß warum, wegen Einwanderung, sonst kommt ihnen keiner hin. Da soll es eine Eidechsenart geben, die ist

Weitere Kostenlose Bücher