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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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direkt vorsintflutlicher Art, meterlang, die zeigen sie nich mal im Zoologischen Garten, lassen die Engländer nich zu. Ein Stück haben sie gefangen von einem Schiff, habens in Hamburg rumgezeigt. Aber is gleich alles verboten worden. Nichts zu machen. Die wohnen in Tümpeln so, in dickem Wasser, kein Mensch weiß, wovon sie leben. Einmal ist eine ganze Automobilkolonne versunken; die haben nich mal nachgegraben, wo die hingekommen ist. Nichts. Wagt sich keener ran. Ja.« »Doll«, meinte Meck, »und mit Gas?« Der Junge erwog: »Man müßte mal versuchen. Versuch schadet nichts.« Leuchtete ein.
    Ein älterer Mann setzte sich hinter Meck, mit den Ellbogen auf Mecks Stuhl, ein kurzer untersetzter Kerl, krebsrotes dikkes Gesicht mit vorgetriebenen großen Augen, die rasch hin und her eilten. Die Männer rückten für ihn. Und bald gab es zwischen Meck und ihm ein Tuscheln. Der Mann hatte blanke Schaftstiefel an, trug einen Leinenmantel über dem Arm und schien ein Viehhändler zu sein. Franz unterhielt sich mit dem Jungen aus Hoppegarten, der ihm gefiel, quer über die Tische. Da tippte ihn Meck auf die Schulter, winkte mit dem Kopf, sie standen auf, der kurze Viehhändler, der gemütlich lachte, mit. Sie stellten sich abseits zu dritt an den eisernen Ofen. Franz dachte, es handle sich um die beiden Viehhändler mit ihrem Prozeß. Da wollte er mal gleich abwinken. Aber es war ein ganz belangloses Herumstehen. Der Kurze wollte ihm nur die Hand schütteln und was er für Geschäfte mache. Franz schlug auf seine Zeitungstasche. Na vielleicht, ob er gelegentlich auch Obst abnehmen wolle; er, er heiße Pums, handle mit Obst, und gelegentlich könne er noch Wagenhändler brauchen. Was Franz mit Achselzucken beantwortete: »Kommt auf den Verdienst an.« Darauf setzten sie sich nieder. Franz dachte, wie forsch der Kleine redet; mit Vorsicht zu verwenden, nach Gebrauch zu schütteln.
    Das Gespräch war weitergangen, und nun war wieder Hoppegarten an der Spitze; sie waren bei Amerika. Der Hoppegartener hat den Hut zwischen den Knien: »Heiratet der also eine Frau in Amerika und denkt sich nischt dabei. Ist es eine Negerin. ›Was‹, sagt er, ›du bist eine Negerin?‹ Bums, fliegt sie raus. Hat sich die Frau vor Gericht ausziehen müssen. Mit ner Badehose. Will natürlich erst nicht, soll doch keenen Quatsch machen. Ist die Haut ganz weiß gewesen. Weil sie ne Mestize war. Sagt der Mann, sie ist doch eine Negerin. Und warum? Weil die Fingernägel anstatt weiß braun angelaufen sind. Das war ne Mestize.« »Na, und was wollte die? Scheidung?« »Ne, Schadenersatz. Er hat sie doch geheiratet, und vielleicht hat sie ihre Stellung verloren. Ne geschiedene Frau möchte auch keiner haben. Ist ne schlohweiße bildhübsche Frau gewesen. Stammt von Negern ab, vielleicht aus dem siebzehnten Jahrhundert. Schadenersatz.«
    Am Ausschank war Krach. Die Wirtin piepste gegen einen aufgeregten Chauffeur. Der widersprach: »Ich werde mir nicht erlauben, mit Eßwaren Dummheiten zu machen.« Der Obsthändler schrie: »Ruhe da!« Darauf drehte sich der Chauffeur feindlich um, sah den Dicken an, der lächelte ihn aber tot, dann war es bösartig still am Schanktisch.
    Meck flüsterte Franz zu: »Die Viehhändler kommen heute nicht. Haben schon alles unter Dach. Den nächsten Termin haben sie sicher. Kuck dir mal den Gelben an, der ist hier Hauptmacher.«
    Diesen Gelben, den ihm Meck bezeichnete, beobachtete Franz den ganzen langen Abend. Franz fühlte sich mächtig von ihm angezogen. Er war schlank, trug einen verschossenen Soldatenmantel – ob das ein Kommunist ist? –, hatte ein langes, hohes, gelbliches Gesicht, und auffällig an ihm waren die starken Querfalten an der Stirn. Der Mann war sicher erst Anfang Dreißig, aber von der Nase zum Mund liefen beiderseits solche klaffenden Einsenkungen. Die Nase, Franz betrachtete ihn genau und oft, die Nase war kurz, stumpf, sachlich aufgesetzt. Den Kopf ließ er tief herunter gegen seine linke Hand, die die brennende Pfeife hielt. Er hatte schwarze hochstehende Haare. Wie er nachher zum Schanktisch rüberging – er zog seine Beine hinter sich, das sah aus, als ob ihm die Füße immer wo stecken blieben –, da sah Franz, daß er gelbe elende Stiefel trug, und die dicken grauen Strümpfe hingen über Bord. Hat der Kerl die Schwindsucht? Man müßte ihn in eine Heilstätte stecken, Beelitz oder wo, lassen ihn so rumlaufen. Was treibt denn der? Der Mann kam angeschwommen, die Pfeife im Mund, in der

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