Berlin Fidschitown (German Edition)
wandte dem Goldbuddha und seiner Morgengabe den Rücken zu und wanderte durch die Stille zum Ausgang. Drei junge Thais in safrangelben Roben kamen vom Gebet und winkten ihm freundlich zu. Er erwiderte den Gruß mit einer Handbewegung und tauchte in das geschäftige Gewusel der Songwat Road ein, auf der er seinen Wagen geparkt hatte. Der modrige Geruch des Flusses sickerte in die schwüle Hitze. Vor einem Speditionsgebäude luden zwei Lagerarbeiter Säcke auf die Rücken einiger Kulis. Die Tagelöhner schienen nur aus Sehnen, Muskeln und Lederhaut zu bestehen. Die Arbeiter benutzten Stahlhaken, um die Lasten besser greifen zu können. In einem Verschlag standen Jutesäcke mit Reis und Plastiktüten mit Cashew-Nüssen neben Netzen voller Zwiebeln, Knoblauch und Chilischoten. Der Chef des Unternehmens, ein Chinese mit Bürstenfrisur, brüllte Kommandos in Taechiew.
Rojana versuchte, den Gestank von getrocknetem Fisch zu ignorieren, und bewegte sich behände zwischen Lastwagen und Sackkarren auf seinen Toyota zu. Das Keuchen der gebeugten Lastenträger rasselte ihm ins Ohr. Anliefern, abladen, aufladen, wegfahren. An den Fronten der alten Holzhäuser und der modernen Betonklötze von Sampeng, der Chinatown Bangkoks, verdichteten sich die Firmenzeichen zu einem Sammelsurium aus Co., Ltd. & Partners , und während Rojana in die Bruthitze des Wagens stieg, den Motor startete und die Klimaanlage einschaltete, sah er, wie im nächsten Hinterhof zwei uralte Chinesen Mah-Jongg spielten. Vorsichtig fädelte er sich mit dem Toyota in den Verkehr auf der Songwat ein, warf einen letzten Blick zu den Greisen hinüber und wurde Zeuge, wie einer der Männer in eine Blechschüssel spuckte.
Rojana bog nach rechts, in den Lärm der Ratchawong Road, ab. Der Verkehr kam nur schrittweise voran – vorbei an golden glänzenden Hausnummern auf roten Lackschildern – und so hatte er ausgiebig Muße, das Warenangebot auf dem Gehsteig zu begutachten. Für mehr als zwanzig Meter passierte der Toyota Läden und Stände mit Plastikartikeln. Hocker, Kleiderbügel, Tassen, Wäscheklammern, Eimer und Abfalltonnen. Es folgten einige Meter, die dem Angebot von Nähmaschinen vorbehalten waren. Dann ein Abschnitt exklusiv für Waagen. Und dazwischen immer wieder aufblasbare Weihnachtsmänner in allen Größen. Buddhisten waren tolerant, und der internationale Kommerz nutzte es. Bangkok im Vorweihnachtsrausch, das war nichts Ungewöhnliches für Rojana. Er war Buddhist, aber auch der Sohn eines Katholiken.
Mitten auf der Fahrbahn kämpfte ein Verkehrspolizist mit nervender Trillerpfeife und theatralischen Armbewegungen vergeblich um Ordnung. Ein Lastwagen blies seine Abgasfahne zwischen die Passanten, und für einen Moment verlor Rojana die Nudelküche aus den Augen, deren Anblick ihn hungrig gemacht hatte. Es war noch zu früh für ein Mittagessen. Außerdem musste er auf sein Gewicht achten – auch wenn sein Magen anderer Meinung war. Als der Dieselschleier sich auflöste, bemerkte er den Berg aus Plüschtieren, der direkt neben dem dampfenden Kessel aufragte. Bugs Bunny ließ ein Ohr in die Suppe hängen.
Rojana grinste noch über den Hasen, als er den Mann erkannte, der hastig die enge Soi Wanit ansteuerte, in der nur Fußgänger und Motorradfahrer vorankamen. Roger Wayday. Der lange Dürre. Der rotblonde Schopf des Kanadiers flackerte wie ein Irrlicht in der Masse der Passanten auf, durch die er sich schnellen Schrittes, aber ohne Rempelei vorankämpfte. Mit einer abrupten Lenkbewegung zog Rojana den Toyota an den Bordstein und rammte sich zwischen Reisstrohballen und Stapeln nagelneuer Autoreifen einen Parkplatz frei. Noch bevor die Protestrufe der Händler zu ihm durchdrangen, hatte er sich aus dem Wagen gewuchtet, ließ die Zentralverriegelung zuschnappen und nahm im Laufschritt die Verfolgung auf.
Als er den Rotblonden eingangs der Soi Wanit erneut im Blick hatte, fiel er ins Gehtempo und hielt ausreichend Abstand. Beiderseits der Gasse zweigten immer wieder neue Gässchen ab. Sie waren oft nur einen Meter breit. Schmale Spalte, die in die Häuserfront schnitten. Er war froh, dass der Dürre geradeaus lief, denn im engmaschigen Netz der Seitenwege hätte er keine Chance gehabt, dem Mann schnell genug zu folgen.
Eine Sackkarre und ein Motorroller blockierten den Weg. Rojana blieb einen Augenblick stehen, um im Stau nicht zu dicht auf den wartenden Kanadier aufzulaufen. Dann war die Soi wieder passierbar, und der Menschenstrom floss weiter.
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