Bernie allein unterwegs
hatte Maike ja noch irgendwo ein altes, trockenes Schulbrot rumliegen.
Ganz systematisch schnüffelte ich das ganze Zimmer ab: Bücherregale, Spielkisten, Schreibtischschubladen, Schultasche, Fensterbrett, Matratze – nichts. Ich kroch sogar unters Bett und wäre beinah um ein Haar nicht wieder darunter hervorgekommen, so furchtbar eng war es.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, ganz schnell unters Bett zu kriechen, wenn Maikes Eltern oder Geschwister hereinkamen, aber das ging nicht. Ich musste mich so platt machen, und es tat richtig weh, mich wieder hervorzuquetschen, dass ich das nicht ein zweites Mal riskieren wollte. Zumal Paule immer gesagt hatte: »Diese kleinen Bernhardiner wachsen so schnell, da kannst du zusehen!« Bereits morgen wäre ich dann vielleicht schon so groß, dass Maikes Vater das Bett hochheben müsste, um mich zu befreien.
Dass ich jetzt keine geeignete Flucht- oder Versteckmöglichkeit hatte, machte mich ein bisschen nervös.
Mit den Zähnen öffnete ich Maikes Kleiderschrank. Es war einfach. Ich brauchte nur am Knauf zu ziehen, und schon ging die Tür, die nur einen Magnetverschluss hatte, auf.
Und in diesem Moment regneten Pullover, T-Shirts, Hosen, Hemden und weitere Kuscheltiere auf mich herab. So vollgestopft war der Schrank. Kein Blatt Papier passte mehr in eines der Fächer, alles fiel einem sofort entgegen.
Im Zimmer sah es jetzt wüst aus. Als hätten Einbrecher den Schrank durchwühlt und den gesamten Inhalt auf die Erde geworfen. Maike würde wahrscheinlich sauer sein. Aber schlimmer noch war, dass ich jetzt gar nicht mehr wusste, wo ich mich im Notfall verstecken sollte.
Die Tür flog auf, und Maike kam herein. Wahrscheinlich hatte sie die Klinke mit dem Fuß aufgemacht, in der linken Hand trug sie nämlich eine Schüssel mit Wasser und in der rechten einen Teller mit Kartoffelpüree und offensichtlich von der ganzen Familie durchgekautes Zetterfleisch. Wunderbar! Hunde ekeln sich eigentlich sehr, sehr selten, und wir fressen auch mit Genuss das, was Menschen ausgespuckt haben, aber ich fragte mich doch, ob sie ihrer Familie verraten hatte, dass
ich in ihrem Zimmer hockte, oder ob sie das, was für den Mülleimer bestimmt war, einfach abgezweigt hatte.
»Meine Fresse!«, sagte Maike. »Wie sieht das denn hier aus! Hundi! Was hast du gemacht, verdammt! Ich hatte gerade so schön aufgeräumt.«
Natürlich. Wie schön das aufgeräumt war, hatten wir ja gesehen, als mir der ganze Wust entgegenfiel. Aber ich wollte jetzt auch nicht über den blöden Schrank diskutieren, sondern endlich das Zetterfleisch hinunterschlingen.
Maike hatte Erbarmen und stellte Schüssel und Teller auf den Fußboden. Bringt ja auch nichts, sich mit Hunden zu unterhalten – sie antworten ja nicht.
Ich stürzte mich auf die Reste und hatte den Teller bereits nach knapp zwanzig Sekunden sauber geleckt. Es ist schade. Manchmal wünsche ich mir, einen vollen Napf länger genießen zu können, aber es geht nicht. Ich muss einfach schlingen. Alle Hunde müssen das. Wenn sie langsam fressen, sind sie krank.
Anschließend trank ich die Schüssel mit dem Wasser halb leer.
Maike sah mir dabei zu. Als ich fertig war, sagte sie: »Okay«, schob Schüssel und Teller unters Bett und setzte sich zu mir auf den Boden.
»Wenn du mal musst, kannst du ja kurz aus dem Fenster springen. Kein Problem.«
Sie nahm mich auf den Schoß, drückte, herzte und streichelte mich und kraulte mir ausgiebig den Bauch.
Unter dem rechten und dem linken Vorderbein bin ich schrecklich kitzlig. Ich musste zucken und lachen, und das hört
sich bei mir immer an, als ob ich schniefen würde und einen dicken Schnupfen hätte.
Maike kitzelte und kraulte gleichzeitig. Ich rollte mich auf den Rücken, damit sie besser an meinen Bauch rankam, und streckte alle viere von mir. Es war einfach wunderbar, und ich wünschte, diese Schmusestunde würde niemals enden.
Aber dennoch horchte ich hoch konzentriert, ob sich auf dem Flur Schritte näherten.
SCHRECK IN DER MORGENSTUNDE
Es war Samstagvormittag so gegen zehn. Maike hatte keine Schule und schlief noch. Ich musste ganz furchtbar dringend Pipi, aber das Fenster war zu, und ich konnte nicht hinausspringen. Also hielt ich tapfer aus und blieb bewegungslos unter ihrer Bettdecke liegen. Ich hatte nur ein kleines Loch zum Atmen, aber das reichte mir. Auf keinen Fall wollte ich Maike ärgern oder sauer machen – schließlich war sie meine Retterin.
Ich lebte jetzt schon drei Nächte und zwei
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