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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Zimmer ihres kleinen Bruders Tom zu tragen. Ich konnte ihre schlechte Laune gut verstehen.
    Sie hatte die Kopfhörerstöpsel im Ohr und bedröhnte sich mit Musik, während sie in ihrem Irrsinn von Kleiderschrank ein pinkfarbenes T-Shirt mit Strasssteinchen suchte. Als sie es gefunden hatte, schwirrte sie ab ins Nachbarzimmer.
    Daher bekam sie nicht mit, dass ihre Mutter mit Tante Hulda bereits im Anmarsch war. Mir blieb das Herz stehen, als ich hörte, wie die beiden die Treppe heraufkamen und die Mutter sagte: »Das ist aber schön, Hulda, dass du schon da bist! Wir dachten, du kommst erst heute Abend!«

    Ich fand den Satz bellend komisch, hatte aber keine Zeit, mich zu amüsieren. Mir blieben nur noch wenige Sekunden, dann musste ich ein Versteck gefunden haben, sonst war alles aus. Tante Hulda konnte Hunde garantiert nicht leiden.
    Aber wohin?

TANTE HULDA
    Ich erinnerte mich daran, wie ich einmal Frau Küster beim Kaffeeklatsch mit ihrer Freundin belauscht hatte:
    »Paule ist schrecklich«, beschwerte sie sich. »Er verliert und verlegt alles. Gestern Abend hat er im Badezimmer seine Baldriantropfen zum Einschlafen gesucht. Hat wie ein Rohrspatz geschimpft, aber natürlich nicht in der Nachttischschublade geguckt, wo er sie manchmal hineinlegt, sondern erst einmal alle Schränke im Wohnzimmer durchwühlt. Fürchterlich. Er ist ein richtiger Kramer. Darum habe ich auch immer Schwierigkeiten, zu Weihnachten oder zum Geburtstag seine Geschenke zu verstecken. Das, was er nicht finden soll, findet er garantiert.«
    »Paule hat doch übermorgen Geburtstag, oder?«
    »Ja eben.«
    »Und? Was schenkst du ihm?«
    »Ich habe ihm einen wunderschönen Schlips gekauft. Einen gepunkteten. Der letzte Schrei.«
    Ich stöhnte auf, weil ich wusste, wie sehr Paule Krawatten verabscheute. Er hatte jede Menge davon, aber er trug sie nur bei festlichen Anlässen und dann auch nur unter Androhung
der Todesstrafe. Wahrscheinlich schenkte Frau Küster ihm immer wieder neue Schlipse, nur um ihn zu ärgern.
    »Wo hast du ihn denn diesmal versteckt?«, fragte die Freundin.
    »Da, wo man einen Schlips am unauffälligsten versteckt.« Frau Küster grinste triumphierend. »Unter Schlipsen natürlich! Ich hab ihn einfach zu den andern gehängt. Das fällt ihm gar nicht auf, und dann kann ich ihn ihm am Donnerstag schenken.«
    Natürlich fiel Paule der Schlips unter all den Schlipsen nicht auf, weil ihn sämtliche Schlipse nicht interessierten. So wie es einem nicht auffiel, ob fünf oder sechs Schokoladentörtchen im Kühlschrank waren, wenn einen Schokoladentörtchen nicht interessierten.
    Daran musste ich jetzt denken.
    Also – wo versteckt man sich als Tier am besten?
    Na klar! Unter Tieren.
    Maike hatte wegen Tante Hulda die Kuscheltiere schon vom Bett auf die Couch geräumt. Das machte die Sache einfacher, weil ich so nicht befürchten musste, dass Tante Hulda mich hochhob, um mich und meine ausgestopften Freunde wegzuräumen, wenn sie ins Bett gehen wollte.
    Also sprang ich auf die Couch, wühlte mich zwischen die Kuscheltiere, lehnte meinen Kopf gegen den des Kuschelbernhardiners und machte ein möglichst unauffälliges Gesicht.
    Und da standen auch schon Frau Redlich und Tante Hulda im Zimmer.

    »Es tut mir leid, aber du musst wieder mit Maikes Zimmer vorliebnehmen«, sagte Frau Redlich. »Das Haus ist einfach zu klein. Ein Gästezimmer wäre schon eine feine Sache.«
    »Ich weiß«, knurrte Tante Hulda.

    Sie ließ ihren Koffer direkt hinter der Tür fallen, hatte aber noch einen Schirm in der Hand, den sie wie einen Krückstock benutzte. Mit energischen Schritten ging sie durchs Zimmer, fegte mit der Schirmspitze einige Schulhefte zur Seite, die auf der Erde lagen, und dann kam die widerlich bedrohliche Schirmspitze direkt auf mich zugesaust.

    Entsetzt, aber zum Glück blitzschnell, wich ich ein Stück zur Seite. Hulda hielt einen Moment überrascht inne, aber dann schüttelte sie sich, rieb sich die Augen und steckte den Schirm mitten zwischen mich und den Schäferhund, wo er auch wie eine Fahnenstange auf dem Acker aufrecht stehen blieb.
    Ich fand das furchtbar ungehörig, aber Frau Redlich sagte nichts. Ich weiß nicht, warum, aber sie musste fürchterliche Angst vor der Schwester ihrer Mutter haben. Schließlich war sie doch hier zu Hause und nicht Tante Hulda.
    Tante Hulda riss das Fenster auf.
    »Hier im Zimmer ist sehr ungesunde, abgestandene Luft«, mäkelte sie. »Es riecht wie im Raubtierkäfig. Ich brauche frische Luft,

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