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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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drehte einen schmalen Kopf zu mir herum und sah mich an.
    »Hei!«, sagte es und bellte heiser. »Wer bist denn du?« »Ich heiße Bernhard von Lüttelbüttel«, antwortete ich stolz und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie erschrocken ich war. »Bin ein gebürtiger, reinrassiger Bernhardiner.«

    »Also ein Hund. Aha. Und ich dachte immer, Bernhardiner sind größer.«
    »Ich wachse noch«, sagte ich leise und schämte mich ein bisschen.
    »Und was machst du hier? So allein? Ohne deine Menschen?«
    »Ich wohne hier.« Das Monster war kein bisschen gruslig, aber es konnte einem wirklich Löcher in den Bauch fragen.
    »Wie? Du wohnst hier? Hunde wohnen nicht in Strandkörben. «
    Aha. Das waren also Strandkörbe, in denen sich die Urlauber tagsüber sonnten. Jetzt war mir alles klar.
    »Hunde wohnen in Hundehütten oder in den Häusern der Menschen«, fuhr das Monster fort. »Und in Strandkörben wohnen sie nur, wenn sie kriminell, völlig verwahrlost oder Landstreicher sind. Also, was bist du?«
    »Ich bin einfach nur allein«, flüsterte ich. »Ganz schrecklich allein.« Und dafür schämte ich mich noch mehr, was ja eigentlich Blödsinn war. Ich hatte einfach nur ein schweres Schicksal. »Und du? Wer bist du?«
    »Ich heiße Robbie. Robbie Williams, und ich bin ein Seehund. «
    Ich stutzte. Das sollte ein Hund sein? Das Monster wollte mich wohl auf den Arm nehmen.
    »Du hast keine Pfoten und keine Ohren, dafür aber eine Schnauze wie eine Katze. Und dein Schwanz sieht aus wie ein Paddel, aber nicht wie ein Schwanz. Außerdem bist du so fett, dass du nicht rennen kannst.«
    »Und du bist gemein«, erwiderte der Seehund enttäuscht.

    »Ich bin ein Seehund, auch wenn ich nicht so aussehe wie ein normaler Straßenköter. Alle Seehunde sehen so aus wie ich. Fett bin ich übrigens gar nicht. Meine Mutter sagt immer: Der Junge macht mir Sorgen, er ist so furchtbar mager. Und ich kann schwimmen und tauchen. Zehnmal schneller und hundertmal länger als du!«
    In diesem Moment tat mir schon leid, was ich gesagt hatte, und mir wurde klar, dass wir beide viel gemeinsam hatten. Alle meinten, ich sei kein richtiger Bernhardiner, weil mir die Maske fehlte, und genauso ging es Robbie, den keiner für einen richtigen Hund hielt, nur weil er keine langen Beine hatte und im Wasser lebte.
    »Tut mir leid«, knurrte ich.
    »Schon gut«, trompetete Robbie.
    Er robbte ein Stück vor, stürzte sich kurz ins Wasser, schwamm eine Runde, als ob er mir seine Beweglichkeit im Meer vorführen wollte, kam wieder raus und erzählte mir dann von seinen drei Schwestern, die ihn ständig ärgerten, ihn in den Bauch bissen und ihm die dicksten Fische wegfraßen. Von seiner Mutter, die ziemlich geschwächt war, weil sie Öl geschluckt hatte, das aus einem Schiff ausgelaufen war, aber jetzt von
einer Robbenauffangstation hochgepäppelt wurde. Und stockend berichtete er von seinem Vater, der sich vor zwei Monaten in einem Schleppnetz verheddert hatte und darin jämmerlich ertrunken war. Er hatte verzweifelt um sein Leben gekämpft und versucht, das Netz durchzubeißen … aber obwohl Robben unter Wasser bis zu zwanzig Minuten lang die Luft anhalten konnten, hatte er es nicht geschafft.
    »Bald werde ich genauso wie du allein auf der Welt sein«, sagte Robbie traurig. »Mit meinen Schwestern lässt man sich nämlich lieber nicht ein. Ich werde einfach versuchen wegzuschwimmen. Ganz weit weg. Vielleicht schaffe ich es ja bis nach Norwegen in einen Fjord. Das wäre jedenfalls mein Traum.«
    Robbie war nicht zu bremsen. Es störte ihn auch nicht, dass mir hin und wieder die Augen zufielen. Er erzählte mir seine ganze Lebensgeschichte. Aber dann erzählte auch ich, was mir passiert war, und er hörte staunend zu.
    Plötzlich robbte er zum Wasser und ließ sich hineingleiten. Komisch. Gestern Abend hatte der Strandkorb ganz nah am Wasser gestanden, aber jetzt war das Meer irgendwie weiter weg. Das irritierte mich zwar ein bisschen, aber egal. Es war so dunkel, und ich war so müde, da erschienen einem viele Dinge ganz anders als am helllichten Tag.
    Es dauerte gute zehn Minuten, bis Robbie wiederkam. Er hatte zwei Fische im Maul, die er am liebsten selber gefressen hätte. Das sah ich ihm an. Es fiel ihm wirklich schwer, aber er wusste, dass ich Hunger hatte und spuckte sie deshalb vor mir in den Sand.

    Sie zuckten fürchterlich, und ich hasste es, wenn mir Sand zwischen den Zähnen knirschte, aber ich fraß sie trotzdem. Mit Todesverachtung, um

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