Bernstein-Connection - Klausner, U: Bernstein-Connection
etwas schiefgegangen wäre. Mochte sein Pass auch gefälscht und auf den Namen Henry Gordon Stanley ausgestellt sein. Kein Grund zur Aufregung, wirklich nicht. Allein die Kleidung vom Typ amerikanischer Durchschnittsbürger, wozu unter anderem ein potthässliches Sakko gehörte, war so bieder, dass seiner Absicht, nicht weiter aufzufallen, abzutauchen und anschließend unter falschem Namen im Kempinski einzuchecken, zumindest in der Theorie nichts im Wege stehen würde.
In der Praxis, das heißt nach dem Verlassen des Abfertigungsgebäudes, nahmen die Dinge allerdings einen gänzlich anderen Lauf. Es fing damit an, dass Grant zu schwitzen begann, weniger aufgrund der vorherrschenden Temperaturen, die er von Haus aus und seinen Aufenthalten in New York gewohnt war. Er saß kaum im Taxi, hatte dem Fahrer gerade erst sein Ziel genannt, da war er bereits schweißgebadet. Grant hasste Schweiß, hasste den Gestank in den U-Bahn-Waggons, verabscheute den Geruch anderer Menschen, bisweilen sogar den eigenen. Das legte seine Sinne lahm, machte ihn nervös, fahrig – und unsicher.
Kurz darauf, als das Taxi in die Yorckstraße einbog, war die dumpfe Ahnung in ihm zur Gewissheit geworden. Irgendetwas war hier faul. Sein Riecher, auf den sich Grant wirklich etwas einbilden konnte, hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Auf ihn, den Retter in der Not, konnte er jederzeit, nahezu blind, vertrauen.
Ein Blick in den Rückspiegel und Grant sackte in sich zusammen. Genau das, was er hatte vermeiden wollen, war eingetreten. Er hätte alles dafür gegeben, wenn sich seine Beobachtung als pures Hirngespinst entpuppt hätte. Zu seinem Leidwesen war dem allerdings nicht so. Das dunkelrote Cabrio, ein Buick vom Typ Skylark, kam ihm bekannt vor. Und nicht nur das. Beim Verlassen des Abfertigungsgebäudes, kurz vor dem Einsteigen, war es ihm bereits zum ersten Mal aufgefallen. In der Hektik hatte er nicht genauer hingeschaut, ein weiteres Indiz, dass der 17. Juni 1953 nicht der Tag von Gregory Boynton Grant werden würde. Mit Sicherheit nicht. Grant stöhnte innerlich auf. Es würde ein Tag werden, an dem es für ihn nur um eines ging: ums nackte Überleben.
Noch im gleichen Moment, mit Blick auf seine mit Hut, Krawatte und dunklem Blazer bekleideten Verfolger, ging ein Ruck durch ihn. So leicht, wie es sich die beiden Kerle hinter ihm gedacht hatten, würde er es ihnen nicht machen. Einfach lächerlich, zu glauben, sie könnten sich eine Sonnenbrille aufsetzen, in einen Buick lümmeln und unbemerkt hinter ihm herkurven. Diesen Zahn würde er den beiden ziehen.
Ein Hundertmarkschein, und der Taxifahrer, allem Anschein nach auf Draht, hatte verstanden. Auch ohne Worte. Kaum hatte er den Hunderter eingesteckt, beschleunigte der nagelneue Mercedes 170 auch schon auf 80 Sachen und bog mit quietschenden Reifen in die Potsdamer Straße ein. Dass er beinahe einen Radfahrer über den Haufen gefahren hätte, schien den Berliner mit dem unförmigen, im Vergleich zu seinem Körperbau viel zu groß geratenen Schädel nicht im Geringsten zu interessieren. Ohne Rücksicht auf den dichten Verkehr und seinen offenbar recht betuchten Kunden raste er mit einer Geschwindigkeit von mittlerweile über 100 Stundenkilometern auf den Tiergarten zu, überholte einen Linienbus, geriet auf die Gegenfahrbahn und fädelte mit einer Lässigkeit wieder ein, die Grant, selbst stolzer Besitzer von einem halben Dutzend Coupés, erschrocken zusammenfahren ließ.
Etwa zehn Minuten später, als der Mercedes in die Tiergartenstraße einbog, war es geschafft. Das Cabrio mitsamt seinen beiden Verfolgern war nicht mehr zu sehen. Einen Seufzer der Erleichterung auf den Lippen, ließ sich Grant auf den komfortablen Rücksitz sinken. Das war noch einmal gut gegangen, besser als zunächst befürchtet. Blieb die Frage, um wen es sich bei den Männern auf dem Vordersitz des Buick gehandelt haben mochte. Von seiner Reise hatte niemand etwas mitgekriegt, geschweige denn davon erfahren. Aufgrund der Tatsache, dass er auf Nummer sicher gegangen und unter falschem Namen gereist war, konnte man das getrost ausschließen. Alles nur ein Zufall?
Wer weiß, machte sich Grant selbst Mut, umklammerte den Vordersitz und brachte seinen Körper wieder in eine halbwegs aufrechte Position. Vielleicht siehst du langsam Gespenster. Könnte ja immerhin sein.
Schließlich hatte er einen turbulenten Abend gehabt, Ärger zuhauf und einen anstrengenden Flug hinter sich. Kein Wunder, wenn man da
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