Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
Befriedigung zu hören sein, die von dem Wissen herrührt, daß alles, was du bist, von mir stammt. All das, was du dereinst deinem Sohne geben wirst, entsprang aus mir, wie das, was mein Vater mir vererbte und zuvor sein Vater ihm.
Höre mich, mein Sohn, und erkenne deinen Vater. Wenn die Erinnerung an einen Menschen auch allzu vergänglich ist, das Leben nur ein flüchtiger Augenblick, so ist er dennoch unsterblich wie die Sterne.
Einst atmete ich die Luft, die heute du atmest, einst fühlte ich die sanfte Nachgiebigkeit der Erde unter meinen Füßen. Einst raste deine Leidenschaft durch meine Adern, und dein Kummer ließ die Tränen durch meine Augen fließen. Denn einst war ich ein Mensch wie du.
Mein Sohn, ich war ein alltäglicher Mensch, einer von vielen, mit alltäglichen Hoffnungen, alltäglichen Träumen und alltäglichen Befürchtungen.
Auch ich habe von Reichtum und Luxus, von Gesundheit und Kraft geträumt.
Auch ich habe Armut und Hunger, Krieg und Gebrechlichkeit gefürchtet.
Ich war der Nachbar, der im Haus nebenan wohnt. Der Mann, der auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn steht; der ein Streichholz an eine Zigarette hält; der mit seinem Hund spazierengeht. Ich war der Soldat, den die Angst schüttelt; der Mann, der mit dem Schiedsrichter bei einem Ballspiel Streit bekommt; der Staatsbürger, der in der Verborgenheit der Wahlzelle höchst befriedigt einen wertlosen Kandidaten wählt.
Ich war der Mann, der tausendfach gelebt hat und tausendfach gestorben ist, in den sechstausend Jahren, die die Menschen aufgezeichnet haben. Ich war der Mann, der mit Noah in der Arche fuhr, ich gehörte der Menge an, die das Meer durchschritt, das Moses teilte, ich war der Mann, der neben Christus am Kreuze hing. Ich war der Dutzendmensch, den nie ein Lied besingt, den keine Geschichte rühmt, von dem keine Legende berichtet. Doch ich bin der Mann, der in kommenden lausenden Jahren weiterleben wird. Denn ich bin der Mann, der den geringen Gewinn ernten und für die vielen Irrtümer bezahlen wird, die die Großen der Welt begehen.
Diese Großen liegen einsam in ihren Grüften, unter mächtigen Monumenten, denn man erinnert sich ihrer nicht um ihrer selbst willen, sondern ihrer Tagen wegen.
Alle jedoch, die um ihre Lieben weinen, weinen auch um mich. Und immer, wenn jemand trauert, trauert er auch um mich. Du öffnest langsam deine Augen und siehst verwundert auf die sechs Steine auf meinem Grab. Jetzt weißt du alles, mein Sohn. So war dein Vater. Die Arme deiner Mutter umfassen dich, doch du starrst noch immer auf die Steine. Deine Finger deuten auf die Worte, die hinter ihnen in das Grabmal eingemeißelt sind. Ihre Lippen bewegen sich leise, während sie dir die Worte vorliest. Höre aufmerksam zu, mein Sohn. Sind sie nicht wahr?
In den Herzen jener weiterzuleben, die wir hinterlassen, heißt nicht sterben.
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