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026 - Das Totenhaus der Lady Florence

026 - Das Totenhaus der Lady Florence

Titel: 026 - Das Totenhaus der Lady Florence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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    Drei Menschen waren an diesem trüben und nebligen Spätnachmittag, der für
eine Beerdigung wie geschaffen schien, zusammengekommen und wurden Zeuge der
Beisetzung. Hochwürden Gerwin Andrews, der Pfarrer der kleinen Ortschaft, Dr.
Colin Brunk, der den Totenschein ausgestellt hatte, und Hiram Short, der
Totengräber der Gemeinde, der den Auftrag hatte, den Sarg der Verblichenen in
der Familiengruft einzuschließen.
    Die Männer ahnten in dieser Stunde nicht, dass der Tod der Lady Florence
weitere Todesfälle nach sich ziehen sollte!
    Die schwere Eisentür bewegte sich knarrend in den Angeln, als Hiram Short
die Gruft hinter sich schloss.
    Auf einem schwarzen, langen Tisch standen mehrere brennende Kerzen. Zu der
Beerdigung waren keine Angehörigen gekommen. Lady Florence besaß keine
Verwandten mehr. Die alte Dame hatte außerdem darum gebeten, ihre Beisetzung in
aller Stille stattfinden zu lassen. Sie wollte – wie alle aus ihrer und ihres
Mannes Familie – hier in der Familiengruft zur letzten Ruhe gebettet werden.
Damit hatte dieser katakombenähnliche Anbau, der sich unmittelbar an einen
Seitenausgang der kleinen Totenkapelle anschloss, die Gebeine der letzten
Trägerin des Namens Dodgenkeem in sich aufgenommen.
    Sir David Dodgenkeem, der Gatte der Verstorbenen, war den Weg alles
Irdischen bereits vor zwei Jahren gegangen. Seit dieser Zeit lebte Lady
Florence – abseits von der Welt und den Menschen – in dem einsamen Landhaus im
südwestlichsten Zipfel von England. Sie hatte keine Besuche empfangen. Mit dem
Tod ihres Mannes schien sich ihr Leben von Grund auf geändert zu haben.
    Wie Dr. Brunk berichtete, war der Gesundheitszustand der mehr als
Sechzigjährigen immer schlechter geworden. Er war der einzige Mensch gewesen,
der Lady Florence während der letzten Monate hin und wieder gesehen hatte. Bis
es dann vor drei Tagen zu dem gekommen war, was Dr. Brunk seit einiger Zeit
befürchtete: Das schwache Herz von Lady Florence versagte.
    Dr. Brunk fand die Tote am selben Abend, als er wie immer – dienstags und
donnerstags – seinen Krankenbesuch machen wollte. Er unterrichtete den Pfarrer,
leitete die Beerdigungsformalitäten ein und ließ die Leiche wegbringen.
    Hiram Short hatte schon viele Tote gesehen und beerdigt. Das war sein
tägliches Brot. Mit schlurfenden Schritten näherte sich der Totengräber dem
Tisch und blies eine Kerze nach der anderen aus. Die letzte brennende nahm er
an sich, um sich in dem düsteren, kahlen Gewölbe zurechtzufinden. Er stieg die
schmalen, ausgetretenen Treppen hinauf und schloss die äußere, lackierte Tür
hinter sich. Dann ging er in die Kapelle zurück. Dort sah er den Pfarrer und
den Arzt zusammenstehen. Als Hiram Short auf sie zukam, schienen die beiden in
das Gespräch vertieften Männer das nicht zu bemerken.
    Dr. Brunk zuckte zusammen, als der schmächtige Totengräber plötzlich neben
ihm stand.
    »Es ist alles erledigt«, sagte der nur. Seine Stimme klang etwas heiser.
Das kam vom Alkohol. Er trank viel und war regelmäßig jeden Abend im
Dorfwirtshaus anzutreffen.
    Wortlos reichte der Totengräber die Schlüssel, mit denen er die Gruft
abgeschlossen hatte, an den Geistlichen weiter. Mit einem kaum merklichen
Kopfnicken verabschiedete sich Hiram Short, ohne nachzufragen, ob vielleicht
noch etwas für ihn zu tun sei. Der Geistliche und der Arzt sahen ihm stumm
nach, wie er, ein wenig von der Last der Jahre und den Sorgen des Alltags
gebeugt, durch die dämmrige Kapelle ging und die Tür des Hauptausgangs leise
hinter sich schloss.
     
    ●
     
    Dr. Brunk warf einen Blick zurück. Hinter den aufsteigenden Nebeln
zeichnete sich schemenhaft die massive Friedhofsmauer und der halb darüber
hinausragende Bau der kleinen Kapelle ab, in der sie sich noch vor wenigen
Augenblicken aufgehalten hatten.
    Es war ein trüber, trauriger Tag, und die Stimmung des Arztes war
dementsprechend.
    Dunkel und spitz wirkten die hohen Zypressen hinter der Friedhofsmauer, ein
kühler Aprilwind säuselte in den Blättern.
    Dr. Brunks Wagen, ein alter Bentley mit mattem Lack, stand neben der
Einfahrt zum Friedhof. Der Arzt zog fröstelnd die Schultern hoch.
    Vom Meer her, das nur wenige Kilometer von Bideford entfernt lag, wehte ein
kalter Wind.
    Ein leises Klappern drang an Dr. Brunks Gehör. Für einen Augenblick glaubte
der Arzt, eine Bewegung im Nebel hinter seinem Bentley wahrzunehmen.
    »Ist da jemand?« fragte er leise. Seine Stimme klang belegt. Er blickte
sich um, und seine

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