Bestie Belinda
Zittern des Körpers und schaute ebenfalls hin, als sich die Schnauze wieder verkleinerte und zu einem normalen Mund mit ebenfalls normalen Lippen wurde.
Die Hände schlugen noch gegen den Boden, aber die Krallen waren bereits verschwunden. An ihrer Stelle hatten wieder die normalen Fingernägel ihren Platz eingenommen.
Helfen konnte ihr niemand. Wir wollten es auch nicht. Ich hoffte allerdings darauf, dass sie noch in der Lage war, mir einige Erklärungen abzugeben. Schließlich wusste keiner von uns beiden, weshalb sie die FBI-Agenten getötet hatte.
Eine nackte Frau kam immer mehr zum Vorschein. Im Licht von Abe’s Lampe war auch ihr Gesicht überdeutlich zu sehen. Ich musste zugeben, dass sie zumindest reizvoll aussah. Selbst als Leiche. Oder steckte noch Leben in ihr?
Ich sah die beiden Einschusslöcher in der Brust. Die anderen beiden verteilten sich etwas tiefer. Belinda hob die Arme an. Sie wollte sie uns auch entgegenrecken, doch sie schaffte es nicht. Sie sackten zurück.
»Warum nur?«, fragte ich leise. »Warum hast du das getan? Kannst du noch reden?« Ich sprach nicht von einer Erleichterung ihres Gewissens, das wäre bei ihr falsch gewesen, aber vielleicht fand sie noch die Kraft, uns einige Erklärungen zu geben.
Und sie sprach, auch wenn es für uns kaum zu verstehen war. »Keagan... Keagan...«
Ein Name war gefallen, mit dem ich nichts anfangen konnte. Ich schaute Abe Douglas an, aber auch er zuckte nur die Achseln.
»Mein Bruder...«
»Was ist damit?« Ich hockte mich zu ihr. Im Licht sah ich ihren Mund, vor dem jetzt Schaum zu sehen war. Ein Mischung aus Speichel und Geifer.
»Sie haben ihn getötet. Vier... die vier... vor Jahren. Ich... Rache... geschafft...«
Plötzlich trat ein Leuchten in ihre Augen. Kein überirdisches Strahlen, sondern ein eisig kaltes Licht, dessen Anblick eine Gänsehaut erzeugen kann. Noch einmal strömte Kraft in ihren Körper hinein, und sie schrie einen Namen.
»Morgana!«
Ich schrak zusammen. Nicht wegen der Lautstärke der Stimme. Das hatte einen anderen Grund. Ich kannte Morgana Layton. Sie war so etwas wie die Anführerin der Werwölfe und bildete fast einen Gegenpart zu Dracula II.
Danach kam nichts mehr.
Sie fiel zurück, schlug mit dem Kopf auf und blieb tot liegen.
Neben mir räusperte sich Abe Douglas. Auch er hatte den Namen verstanden und wiederholte ihn. Zugleich zeigte mir sein Schulterzucken, dass er damit nichts anfangen konnte.
»Ich kenne sie«, sagte ich.
»Und?«
»Später.«
Ich bückte mich, um Belinda zu untersuchen. Ja, es gab eine Belinda, aber die Bestie Belinda war Vergangenheit. Und den Erfolg konnten wir uns gutschreiben.
Eine halbe Stunde später herrschte in der Gartenanlage das kontrollierte Chaos. Abe Douglas hatte die Kollegen alarmiert, die ihre Untersuchungen aufnahmen. Er selbst stand auch im Mittelpunkt, während ich mich zurückgezogen hatte und auf einer Bank saß, die am Rand eines kleinen mit Draht abgedeckten Teichs stand.
Wir hatten den vierten Mord nicht verhindern können. Das genau wurmte mich. Aber die Retter in letzter Sekunde kamen zumeist nur im Film. In der Wirklichkeit sieht es oft anders aus.
Ich war müde und trotzdem innerlich aufgeputscht. Da ich an einer relativ windgeschützten Stelle saß, ließ sich auch die Kälte aushalten.
Ein Schatten fiel über mich. Dann setzte sich Abe Douglas zu mir auf die Bank. Er senkte den Kopf, hatte die Ellenbogen auf die Beine gestützt und nickte einige Male.
»Ich habe mich erkundigt, John.«
»Wonach?«
»Keagan.«
»Ja, der Bruder.«
»Nicht nur das«, sagte Abe und seufzte schwer. »Er war ebenfalls ein Untier. Ein Mörder. Ein Kinderschänder. Was er getan hat, das... das... kann man nicht beschreiben. Er wurde gestellt in den Sümpfen Floridas...«
»Waren es zufällig vier FBI-Agenten?«
»Ja.« Er musste sich räuspern. »Sie waren noch jung, aber sie wussten über die Verbrechen Bescheid. Sie haben ihn nicht festgenommen, sondern erschossen. Man hat es nie an die Öffentlichkeit gebracht und erklärt, dass Keagan im Sumpf versunken sei. Das wurde akzeptiert. Aber die Wahrheit sah anders aus, und die hat seine Schwester Belinda nicht vergessen.«
»Danke«, sagte ich. »Jetzt kenne ich auch das Motiv für die Greueltaten.«
Abe Douglas stand wieder auf. »Kommst du mit?«
»Nein. Lass mich noch ein paar Minuten hier sitzen.«
»Wie du willst.«
Er ging. Ich schaute zum Mond, der noch immer so klar am winterlichen Himmel stand, um
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