BETA (German Edition)
Lusardi war schon am Gehen, als sie sich noch einmal umdrehte, um mich ein letztes Mal zu mustern. »Du wirst einen hervorragenden Preis erzielen, Elysia«, sagte sie. »Obwohl du eine Beta bist.«
Das Wartezimmer war ein fensterloser Raum mit Einzelbetten, die entlang der Wand aufgereiht waren. Keine weiteren Möbelstücke. Noch vier andere neu erschaffene Klone hielten sich dort auf. Sie warteten genauso wie ich auf den Orientierungskurs und steckten ebenfalls in grünen OP -Kitteln. Andere Kleidung gab es hier offensichtlich nicht. Die anderen neuen Klone, zwei Frauen und zwei Männer, wirkten deutlich älter als ich – als Menschen hätten sie schon über zwanzig oder sogar über dreißig Lebensjahre hinter sich –, und ihr Aussehen war makellos, mit sämtlichen Merkmalen ausgestattet, die bei Menschen besonders begehrt sind: schlanke Körper, hohe Wangenknochen, volle Lippen und prächtige Haare. Ihre Gesichter waren ausdruckslos. Meine Database spielte mir Beispiele unterschiedlicher menschlicher Gesichtsausdrücke ein, unter denen dann glücklich, traurig, wütend oder liebevoll zu lesen war. Doch die neuen Klone, die sich mit mir in diesem Raum aufhielten, hatten alle denselben Ausdruck: leer.
Wir redeten nicht miteinander. Was hätten wir uns auch zu sagen gehabt?
In einer Ecke stand die ganze Zeit ein Klon mit der Statur eines Schwergewichtsboxers und starrte uns aus seinen fuchsiafarbenen Augen an. Seine ganze Erscheinung und sein strenger Blick ließen keinen Zweifel daran, dass wir in diesem Raum waren, um zu warten, um uns auszuruhen, nicht um uns miteinander zu unterhalten.
Also war ich ein braver Klon, legte mich auf mein Bett, schlief so viel wie möglich und wartete auf mein Leben außerhalb des Wartezimmers.
Am nächsten Tag wurden die anderen neuen Klone und ich in den Orientierungsraum gebracht, der ebenfalls weiß und fensterlos war und wo wir uns auf Kissen setzen mussten, die in einem Kreis auf dem Boden angeordnet waren. In die Mitte unseres Sitzkreises wurde eine holografische Präsentation für frisch erschaffene Klone projiziert, die uns über unser neues Leben unterrichtete.
Eine elegante junge Frau mit Alabasterhaut, schräg gestellten schwarzen Augen und glänzendem tintenschwarzen Haar mit violetten Highlights führte uns durch die Präsentation. Sie trug ein mit goldenen Drachen besticktes rotes chinesisches Seidenkleid, das ihre zierliche Erscheinung noch betonte. Während sie sprach, umschwebte sie eine Flut von Bildern, die alle Ion zeigten: Blauviolette Wellen, die sanft an weiße Sandstrände schlagen, Wasserfälle, die funkelnd über Kristallgestein hinabstürzen, Felstürme, die aus dem Meer ragen, das Vulkangebirge im Innern der Insel, den Dschungel mit seinem undurchdringlichen Gewirr aus Schlingpflanzen – all das sahen wir vor uns.
»Willkommen, ihr frisch erwachten Klone! Ich heiße Mei-Xing und bin hier, um euch von Demesne zu erzählen, eurer neuen Heimat!«
Alle im Kreis schauten sie mit leeren Gesichtern an.
»Demesne, so heißt eure neue Heimat, ist ein Archipel – eine Inselgruppe, die nach einem gigantischen Vulkanausbruch unter dem Ozean entstanden ist, Tausende von Meilen von der Küste des Mainlands entfernt. Das Mainland, dies nur zur Erinnerung, entstand als politischer Zusammenschluss sämtlicher Länder des Kontinents nach einer unglückseligen Periode, die als Water Wars in die Geschichte der Menschheit eingegangen ist. Dieses üppige grüne Paradies hier verlangte natürlich danach, besiedelt zu werden, um den Menschen Freude zu bereiten. Wie könnte es anders sein! Die Welt hatte so viel Verzweiflung erlebt, doch nun keimten auf der Erde erneut Hoffnung und Wohlstand, und diese Inseln waren dafür wie geschaffen! Deshalb wurde die schönste und größte Insel des Archipels von den reichsten und bedeutendsten Männern des Mainlands gekauft und nach ihren Wünschen weiter ausgebaut! Sie erschufen sich hier ein wahres Refugium für die Reichen und Schönen. In diesem Paradies bleiben sie ganz unter sich! Wie könnte es auch anders sein! Sie haben es sich verdient!«
Wir schauten sie mit leeren Gesichtern an.
»Der Ozean, der diese Insel umspült – ihr seht davon gerade Bilder –, wurde von Topingenieuren und spirituellen Lehrern zum luxuriösen Meerespool umgestaltet. Sie entwarfen ein innovatives Strömungsdesign und nannten das Gewässer rings um die Insel das Meer von Ion. Die Wellen kräuseln sich dort zu patentierten violetten
Weitere Kostenlose Bücher