BETA (German Edition)
und hinterher aufräumen. Bei ihrem Aussehen, das leider etwas missglückt ist, wird Becky nie den Aufstieg in die obere Kaste der Klone schaffen und als Gesellschafterin, Kammerzofe, Sauerstoffwerkerin oder Fitnesstrainerin arbeiten – und erst recht nicht als Glamouresse, die dafür zuständig ist, für die Befriedigung der Luxusbedürfnisse ihrer Herrin oder ihres Herrn zu arbeiten. Glamouresse zu sein, ist das Höchste, was ein weiblicher Klon erreichen kann. Als Becky vor ein paar Monaten geschaffen wurde, sind ein paar Fehler passiert, weshalb sie nun gekräuselte dunkelbraune Haare hat, die wie ein Nest aus Rattenschwänzen aussehen, Augen, bei denen es nur zu einem Blassrosa statt zu einem leuchtenden Fuchsiarot reichte, sowie eine gelbliche Hautfarbe. Außerdem ist sie dick, mindestens zwei Kleidergrößen über dem fett- und cellulitisfreien Idealmaß auf der Insel, dem sogenannten Bikini-Body, wie ihn hier praktisch alle haben.
Laut Dr. Lusardi bin ich ihre gelungenste Beta, egal ob Teenager oder sonst wie. Mein Aussehen passt perfekt zum Lebensstil hier auf Demesne, wie es von einem Klon ja auch erwartet wird. Mein holografischer Index weist meine Körpermaße als ›modeltauglich‹ aus. Mein Muskeltonus legt die Vermutung nahe, dass meine First eine Sportlerin oder Tänzerin war. Dr. Lusardi bezeichnete mich als ›Leckerbissen‹. Ich habe seidig glänzendes honigblondes Haar, eine goldene Sonnenbräune und Pfirsichhaut. Auch der, wie Dr. Lusardi betonte, komplizierteste Teil, nämlich die Augen, sind ihr perfekt gelungen; sie sind von einem leuchtenden Fuchsiarot, wie zwei Bonbons, die Lider sind mandelförmig geschwungen und dicht mit langen dunklen Wimpern besetzt, die Fügsamkeit signalisieren sollen. Keinesfalls darf unseren Eigentümern bei unserem Anblick unheimlich werden. Die leuchtenden Augen eines Klons sollen die Menschen anziehen, sie sollen sich sicher und geborgen fühlen. Das gelingt allerdings nur, wenn sie uns mit etwas Abstand betrachten. Aus der Nähe wirken unsere Augen hohl und leer, weshalb die Menschen uns auch lieber nicht in die Augen sehen. Für unseren Umgang mit ihnen ist es darum besser, den direkten Blickkontakt zu vermeiden, hat man mir beigebracht. Augen ohne Seele können den Geschöpfen mit Seele nämlich Angst einjagen.
»Du bist also jetzt eine Gesellschafterin«, sagt Becky. »Wie schön für dich.«
Plötzlich spüre ich einen Schmerz in der Brust, als würde mir ohne diese andere Teen-Beta etwas fehlen. Aber ich weiß, dass diese Reaktion erfolgt, weil mein Chip weiß, wie Menschen in solchen Situationen fühlen, und dies meinen Körper dann simulieren lässt; nicht weil ich wirklich fähig bin, Becky zu vermissen. Wir empfinden keine Gefühle füreinander. Brauchen wir auch nicht. Deshalb ist es mir ein Rätsel, warum ich auch noch im Magen so eine komische Leere spüre, sobald ich daran denke, dass ich Becky jetzt verlassen muss. Seltsam. Es gibt für mich noch viel zu lernen – über diese Insel, über die Chemie meines eigenen Körpers. Ich bin noch so neu.
»Du bist gerade erst auf den Markt gekommen«, fährt Becky fort. »Und schon verkauft. Meinen Glückwunsch.«
»Sobald ich mich in meinem neuen Heim eingewöhnt habe, könnte ich mich ja erkundigen, ob es dort nicht vielleicht auch für dich eine passende Stellung gibt.«
»Danke, sehr nett von dir«, sagt Becky, wie es sich gehört, obwohl wir beide wissen, dass es ein leeres Versprechen von mir ist. »Hier bin ich auch zufrieden.«
Mrs Bratton und ich steigen in ein Luftmobil, ein in niedriger Höhe durch die Luft gleitendes Luxury Utility Vehicle, kurz LUV genannt. Die Fenster des LUV sind von außen dunkel getönt, im Innern duftet es nach Jasmin, und die Sitze fühlen sich so an, als würde man sanft gestreichelt. Ich sitze mit Mrs Bratton im Fond, ihre beiden Bodyguards haben vorne Platz genommen. Die Leibwächter blicken die ganze Zeit aufmerksam durch die Fenster – als könnten in diesem Paradies irgendwelche Gefahren lauern! Vielleicht mustern sie ihre Umgebung aber auch so streng, weil sie sonst nichts zu tun haben. Das Luftmobil steuert sich von selbst.
Während der LUV über die Landschaft gleitet, streicht Mrs Bratton mit der rechten Hand vom Ellenbogen bis zum Handgelenk über die Innenseite ihres linken Unterarms. Ihr Relay Screen taucht unter ihrer Haut auf, und sie beginnt, über ihn Nachrichten zu versenden, ihr Interesse an ihrem jüngsten Einkauf – mir – scheint fürs
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