Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
Vom Netzwerk:
gemeint. Er wäre über Leichen gegangen für unsere Kneipe. Vielleicht haben wir ja doch mehr gemeinsam, als ich bisher angenommen habe. Jetzt vielleicht noch ein vernünftiges Argument, Frau Kindermann? Ein versöhnliches Wort zum Sonntag wenigstens: »Und abgesehen davon, dass ich tatsächlich nie eine Kneipe führen sollte, was du nicht wissen konntest: Es hätte nie ohne Raffi und Marie funktioniert. Und es hat auch mit Raffi und Marie nicht mehr wirklich hingehauen. Seit Jahren nicht mehr. Freunde sollten niemals zusammen eine Kneipe aufmachen. Gute Freunde nicht zumindest.«
    Vladimir schweigt. Elegant aus der Nummer herausmanövriert, Frau Kindermann.
    Außerdem viele wahre Worte gesprochen: Man tauscht nicht groß gegen klein. Außer man heißt Gunnar und sagt Worte wie »supi«.
    Und das »Dead Horst« ist wirklich schon lange nicht mehr das, was es mal war. Jemandem, der nicht trinkt, hätte das längst auffallen müssen. Und letztlich …
    »Was machen gute Freunde miteinander, wenn sie keine Kneipe retten?«, fragt Vladimir leise.
    Da bin ich wirklich überfragt. Meine eine gute Freundin hat sich nach Portugal verabschiedet, zusammen mit dem einzigen Mann, den ich als meinen guten Freund betrachte, obwohl er mich belogen hat, was sein Krankheitsbild angeht. Meine beste Freundin bekommt ein Kind von meinem Exfreund.
    Sieht so aus, als wäre das Hegen und Pflegen von Freundschaften nicht mein Fachgebiet.
    Vladimir reicht mir ein Taschentuch aus Stoff, mit Monogramm. Ich zögere, es zu benutzen.
    »Mach ruhig, Doris. Man kann es waschen. Muss man sogar, wegen der Bakterien.«
    Ach ja, gute Freunde können einen immer aufheitern. Und sie sind ehrlich zueinander. Erzählen sich, was so los ist. Sobald sie mit dem Heulen aufhören können.
    »Du erinnerst dich an Ludi, oder? Der wollte sich umbringen. Ist jetzt in so einer Klinik. Wirklich. Nicht so wie Raffi«, schniefe ich. Vladimir legt mir den Arm um die Schulter. Ein gutes Gefühl, aber sehr, sehr ungewohnt.
    »Warum wollte er das tun?«
    »Weil er schwul ist. Oder sechzehn. Oder beides.«
    Als gute Freundin bringe ich Vladimir zum Lachen: »Gibt schlechtere Gründe.«
    Stimmt.
    »Nicht mehr leben zu wollen, nur weil man nicht mehr sechzehn ist«, schlage ich vor, Vladimir ergänzt: »Oder leider nicht schwul.«
    Schön, so ein Wintergarten. Vor allem, wenn hinter den Fenstern ein Park liegt und man der Sonne beim Untergehen zusehen kann. Kann man gar nicht, das ist schon der Sonnenaufgang. Noch viel schöner. Könnte man sich dran gewöhnen.
    »Und, bleibst du jetzt hier wohnen?«
    Vladimir schüttelt den Kopf: »Wozu? Ich bin ein freier Mann. Keine Kneipe mehr, auf die ich aufpassen muss. Ich kann gehen, wohin ich will. Wann ich will.«
    Das kann er. Er hat es ja gelernt, das Gehen. Und ich vermute, er ist sehr schnell dabei.
    »Aber bevor du abhaust, gebe ich dir noch Felix’ Gitarre zurück.«
    Da bestehe ich drauf. Ich will nie mehr auf das Geld von Freunden angewiesen sein.
    »Kannst du mir abkaufen, Doris. Zum Einkaufspreis. Dreihundertneunundsechzig Euro siebzig.«
    Ich fasse es nicht: »Du verdammter Fuchs! Hat er nicht versucht, mehr als seine Schulden rauszuholen?«
    Vladimir streckt sich, seine Unterschenkel ragen über das Feldbett hinaus: »Ich kann sehr überzeugend sein, Doris.«
    Oh ja, das kann er.
    Er tippt mit seinem Fuß gegen meinen Stiefel. »Vielleicht gehe ich nach Australien, noch einmal. War lange nicht mehr dort. Und ich frage nur: Du magst nicht mitkommen, oder, gute Freundin?«
    Was soll ich denn da? Was soll ich hier noch? Darauf hoffen, dass Ludi sich bei mir meldet? Das kann dauern. Ich könnte ewig darauf warten. Werde ich wohl tun müssen, wenn ich zu meinem Wort stehen will. Und das will ich.
    Auf der anderen Seite: Es gibt Telefone. Und Internet. Wenn ich die Gitarre verkaufe, habe ich so viel Geld, dass ich jederzeit, von jedem Flughafen der Welt hierher zurückfliegen könnte. Sogar von Australien aus.
    Schöne neue Welt. Schönes neues Leben.
    »Ich komme dich besuchen, okay, guter Freund?«
    »Bald?« Vladimir versucht das neue Gesicht. Es ist ganz gelungen, aber eben nicht so überzeugend wie das alte. Ich sollte ihm Zeit geben, um daran zu arbeiten.
    »In Australien ist jetzt Winter, Vladimir. Da würde ich mich doch um einen Sommer betrügen, wenn ich dich schon im Juli besuchen käme.«
    Vladimir kneift die Augen zusammen: »Du hast vollkommen recht, Doris, man darf sich nicht selbst den Sommer klauen. Dann

Weitere Kostenlose Bücher