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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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zufälligerweise neun- oder zehntausend Nutzern das Leben gerettet, während es zugleich eine unbekannte Zahl von Nutzern auslöschte. Von dort kamen jetzt die Gesetze: von Huevos Verdes. Von siebenundzwanzig Schlaflosen plus ihren Sprößlingen, die sich alle nicht als Teil meines Landes betrachteten. Oder als Teil irgendeines anderen Landes. Sie hatten nichts zu schaffen mit Machern, mit Nutzern oder mit der Verfassung, die selbst für die Macher stets stillschweigend, aber tragend wie Muttergestein, im Hintergrund gestanden hatte. Jetzt nicht mehr.
    Wer war doch dieser Staatsmann, dessen letzte Worte auf dem Totenbett das Schicksal der Vereinigten Staaten betraf? Adams? Webster? Ich hatte das immer für eine alberne Geschichte gehalten. Hätten seine letzten Worte nicht besser seine Ehefrau oder sein Testament oder die Höhe seines Kissens – jedenfalls etwas Konkretes, Persönliches – betreffen sollen? Wie hochtrabend, sich selbst für bedeutend genug zu halten, um die Geschicke eines ganzen Landes zu bewegen! Noch dazu in einem solchen Augenblick! Anmaßend. Dünkelhaft. Außerdem dumm: der Mann würde kein einziges Gesetz mehr durchbringen, keine einzige politische Linie mehr beeinflussen – er lag im Sterben! Dumm.
    Jetzt verstand ich ihn. Ich fand es immer noch dumm, aber ich verstand es.
    Ich glaube, ich hatte noch nie zuvor eine solche Verzweiflung verspürt.
    Eine allerletzte Explosion, und mein Ohr – dasjenige, das ich nicht ins Erdreich preßte – war völlig taub. Ich bemühte mich, den Kopf so zu drehen, daß ich nach oben sah. Der Schild war verschwunden, und mit ihm das Holo und die komplette Spitze des Berges in der Ferne. Und ich hatte nie erfahren, wie er hieß.
    Wiederum Geschrei. Jetzt, wo alles vorbei war. Die Nutzer erkannten vermutlich gar nicht und würden nie erkennen, was verlorengegangen war. Es waren kleine Verbände herumziehender, unabhängiger Gruppen, die keinen Bedarf mehr hatten an diesem kuriosen altmodischen Gebilde, das sich ›Vereinigte Staaten‹ nannte – genausowenig wie Huevos Verdes. Nutzer.
    Die ersten Fliehenden rannten an mir vorbei, auf die dunklen Hügelketten zu. Schwankend erhob ich mich auf die Füße – oder, besser, auf den Fuß. Wenn ich nicht mein ganzes Gewicht auf den in Selbstheilung begriffenen Knöchel verlagerte, konnte ich hoppelnd vorankommen. Nach ein paar Schritten entdeckte ich eine weggeworfene Fackel. Ich löschte sie aus und benutzte sie als Stock. Sie war nicht lang genug, aber es mußte reichen.
    Als einzige Person, die sich auf das Gefängnis zu bewegte, kam ich nur langsam voran. Die Leute hatten aufgehört, einander zu stoßen, und ein paar mitleidige oder schuldbewußte Seelen begannen damit, die niedergetrampelten Toten wegzutragen.
    Aber eine Menschenmenge dieses Ausmaßes braucht einige Zeit, um sich zu zerstreuen. Der Lärm des Klagens und Durcheinanderschreiens war überwältigend, besonders nachdem ich angefangen hatte, mich zwischen den Leuten hindurchzuzwängen. Mein Knöchel pochte.
    Zumindest eine Stunde war vergangen, als ich endlich beim Gefängnis ankam.
    Ich humpelte die Mauer entlang und bog schließlich um die Ecke, Richtung Fluß. Irgendwie empfand ich es als erstaunlich, daß das Wasser nach wie vor murmelnd dahinfloß, daß die Steine wie immer in dumpfem Schweigen dahockten. Eine Sekunde lang hatte ich nicht diesen Fluß vor Augen, sondern einen anderen, an dessen Ufer ein toter Schneehase lag. Und welchen von beiden hörte ich jetzt in der Finsternis flüstern? Meine Seite der Mauern war menschenleer, aber ich bildete mir ein, Leichen herumliegen zu sehen. Es waren nur Schatten, aber selbst als ich das erkannte, sahen die Schatten wie Tote aus. Und früher oder später sahen sie alle aus wie Lizzie. Der Schmerz hatte sich jetzt vom Knöchel über mein ganzes Bein ausgebreitet, und ich war nicht ganz klar im Kopf.
    Als ich vor dem Gefängnistor stand, blickte ich hoch zu den matten, leeren Bildschirmen der Überwachungsanlage. Sie ragten in einem ähnlichen Winkel wie der silbrige Sicherheitsschild aus der Mauer hervor. »Ich möchte eintreten«, sagte ich zu ihnen.
    Nichts geschah.
    Lauter sagte ich – und merkte selbst den Anflug von Hysterie in meiner Stimme: »Ich trete jetzt ein. Ich. Trete. Jetzt. Ein.«
    Der Fluß gluckerte. Die Bildschirme leuchteten leicht auf – oder auch nicht –, und nach einer Minute schwang das Tor auf.
    Genau wie bei Eden.
    Ich hinkte in einen kleinen Vorraum, und hinter mir

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