Beutewelt 02 - Aufstand in der Ferne
Mannes aussah.
Der „Herr Fuji“ wirkte auf sie in diesen Tagen manchmal fast beruhigend. Er war schon immer da gewesen und so wie der uralte Berg mussten auch sie jetzt hart und standhaft werden. Das war allerdings keine leichte Aufgabe, seitdem sie die Macht auf der Insel an sich gerissen hatten. Japan wurde diplomatisch vollkommen isoliert und feindliche Truppen sammelten sich an seinen Grenzen.
Die ehemals in aller Welt beliebten Waren des Inselvolks verschmähten die umliegenden Verwaltungssektoren jetzt und die Umstellung der japanischen Wirtschaft auf eine größere Autarkie gestaltete sich trotz immenser Anstrengungen schwierig und mühsam. Gelegentlich dachte Matsumoto daran, das Handtuch zu werfen, sich einfach ins Privatleben zurückzuziehen und sich dem Hass des übermächtigen Weltsystems nicht länger auszusetzen. Doch er würde kein Privatleben mehr haben, wenn er aufgab. Seine Feinde würden sich an ihm rächen und ihn mit dem Tode bestrafen für den Frevel, sein Land unabhängig gemacht zu haben. Seit er vor einer Woche sogar das Zinssystem, in seinen Augen die Wurzel allen Übels, abgeschafft hatte, war das wütende Geschrei in der ausländischen Presse zu einem orkanähnlichen Gezeter angewachsen.
Sein Freund, Akira Mori, baute ihn jedoch selbst in Phasen tiefster Resignation noch auf und kittete seine bröckelnde Moral wieder und wieder zusammen. Er war ein Geschenk des Himmels, dieser eiserne Außenminister mit dem großen Herzen.
Die beiden Politiker schwiegen und wussten tief im Inneren, dass die Möglichkeit eines Waffenganges gegen ihre Heimat mehr als wahrscheinlich war, wenn die Medienhetze und die Boykotte nicht den gewünschten Erfolg brachten. Doch sie hofften weiter auf den Frieden. Matsumoto ging ins Haus und setzte sich in sein Büro, Mori folgte ihm. Es galt heute noch eine Regierungserklärung auszuarbeiten, die der Weltregierung eine friedliche Lösung des Konflikts vorschlagen sollte.
Die Gefahr, dass sie auf taube Ohren stoßen würde, wuchs allerdings mit jedem verstreichenden Tag mehr und mehr. Auch wenn er noch so freundlich und sonnig war.
„Wenn sie die Erklärung wieder ignorieren, dann denke an die alten Römer“, erklärte Mori dem Präsidenten.
„Sie werden sie wohl verwerfen. Alles andere wäre ein glattes Wunder, Akira“, erwiderte Matsumoto und wirkte verzweifelt.
„Dann sage ich dir etwas. Ein Sprichwort der alten Römer, aus der Zeit als sie noch kein Weltreich besaßen und mit ihren Nachbarstämmen in Italien ununterbrochen im Streit lagen: ‚Wer den Frieden will, der rüste zum Kriege!’ sprachen sie immer.“
„Ich will den Frieden, aber sicherlich keinen Krieg. Zumal wir diesen nicht gewinnen können“, stöhnte das Staatsoberhaupt und hielt sich den Kopf.
„Du musst einkalkulieren, dass es so weit kommt“, antwortete Mori und schlug seinem Freund sanft auf die Schulter. „Ich bete auch für Frieden, aber rechne im schlimmsten Fall mit einem Kampf um Japan!“
„Ich hätte nie in die verdammte Politik gehen sollen“, zischte Matsumoto verzweifelt und trat gegen seinen Schreibtisch.
„Du hast eine Lawine des Guten in unserem Land losgetreten und nun gilt es, das Aufgebaute zu schützen“, erklärte der Freund mit sachlichem Unterton.
Haruto Matsumoto wollte es nicht hören. Er verfluchte erneut den Tag, als er sich auf das blutige und schmutzige Spiel der Politik eingelassen hatte …
Zur gleichen Zeit streiften Frank Kohlhaas und Alfred Bäumer durch die Straßen von Wilna im fernen Litauen. Die beiden Widerstandskämpfer hatten sich zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Ivas, dem kleinen Dorf im Südosten des Landes, nach Wilna gewagt.
Hier genossen sie den sonnigen Tag, schlenderten durch die Strassen und saßen in Cafes herum. Auch die eine oder andere Sehenswürdigkeit der größten Stadt des ehemaligen Staates Litauen führten sie sich zu Gemüte.
Am wohlsten fühlten sie sich in der Altstadt, die trotz des wirtschaftlichen Verfalls und der allgemeinen Verwahrlosung noch einige schöne historische Gebäude zu bieten hatte. Alte Kirchen und langsam zerbröckelnde, aber immer noch schöne Häuserfassaden gab es hier zu bewundern, dennoch waren die Auswirkungen der sozialen Krise auch hier nicht zu übersehen, denn Obdachlose und Arme tummelten sich in Massen im Stadtzentrum, um die Besucher von außerhalb um Globes anzubetteln.
Die Polizeipräsenz war in Wilna im Vergleich zum Verwaltungssektor „Europa-Mitte“ noch
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