Beverly Barton, Hexenopfer
wahrscheinlich packen und in die Arme reißen.
Sie blieb stehen. »Wie wäre es mit Apfelkuchen und Kaffee?«
»Wie bitte?« Ihr gastfreundliches Angebot überrumpelte ihn ebenso wie der Themenwechsel.
»Gehen Sie nicht fort«, bat sie ihn. »Und man braucht keinen sechsten Sinn, um zu merken, dass Sie kurz davor stehen, vor mir wegzulaufen. Bleiben Sie auf ein Stück Kuchen und Kaffee, und wir unterhalten uns. Über den Serienmörder. Über Brooke. Über alles, worüber Sie sprechen müssen. Ich habe das Gefühl, dass Sie jemanden brauchen, der Ihnen zuhört, mit dem Sie etwas besprechen können, dem wichtig ist, was Ihnen wichtig ist, viel mehr, als flachgelegt zu werden.«
Sie hatte recht. Er brauchte jemanden zum Reden, jemanden, der zuhörte. Teri war in den vergangenen acht Monaten eine echte Freundin gewesen, und er hatte sich darauf verlassen, dass sie nach dem Mord an Brooke sein Kummerkasten war. Aber er hatte schon bald gemerkt, dass er die Gefühle ausnutzte, die sie noch immer für ihn hegte. Er hatte sich zurückgezogen. Sie hatte Besseres verdient. Er hatte ihr eine Chance bei Linc einräumen wollen, und so lange sie glaubte, Dallas brauche sie, würde sie da nicht weitermachen. Er hatte zugelassen, dass sie ihm bei seinen inoffiziellen Ermittlungen half und Linc mit einbezog, weil Dallas dringend Hilfe brauchte. Aber er hatte das emotionale Band schnell getrennt, das Teri zwischen ihnen wieder hatte knüpfen wollen.
Jetzt bot ihm Genny eine Schulter zum Ausweinen an, und er war verdammt versucht, ihr Angebot anzunehmen.
»Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, meine Vertraute zu sein. Und Sie haben recht, dass ich jemanden brauche, der mir zuhört und sich kümmert. Aber Sie irren sich leider, wenn Sie meinen, ein bisschen Händchenhalten würde mich mehr befriedigen als Vögeln.«
Genny schnappte nach Luft. »Versuchen Sie absichtlich, mich abzuschrecken?«
»Glauben Sie das?«
Sie nickte. »Ja, aber das funktioniert nicht.« Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. »Kommen Sie mit ins Wohnzimmer, während ich Kaffee und Kuchen hole.«
»Sie wissen, dass ich Sie ins Bett kriegen will und laden mich trotzdem ein zu bleiben?«
»Ja, ich möchte, dass Sie bleiben. Sie brauchen mich.« Sie drehte sich um und entfernte sich von ihm. Als er ihr folgte, blieb sie stehen und warf einen Blick über die Schulter. »Sie werden mich nicht ins Bett kriegen. Heute Abend nicht.«
Die Anspielung traf ihn wie ein Schlag. Sie hatte nicht gesagt, niemals, auf keinen Fall. Sie hatte gesagt, heute Abend nicht.
»Ich lasse mich auf Kaffee, Kuchen und eine Unterhaltung nieder. Heute Abend.«
Jazzy’s Joint hatte eine wilde Seite, aber diese ausgelassene, rauflustige Seite zeigte es an diesem Abend nicht. Da es ein Wochentag mitten im Winter war, saßen nur ein paar der üblichen Stammgäste an der Bar, und noch einige mehr waren an verschiedenen Tischen im Raum verteilt. Jazzy hatte gelernt, dass es sich nicht lohnte, in den Wintermonaten eine Liveband zu engagieren, außer an Wochenenden. Doch die treuen Kunden bedienten die alte Musikbox, die Jazzy vor einigen Jahren auf einer Antiquitätenmesse in Knoxville gefunden hatte, und ließen Oldies laufen. Das Brummen von einem halben Dutzend Trinkern, die sich unterhielten, und der beiden Männer am Poolbillard störte die laute Musik nicht. Fats Dominos Interpretation von »Blueberry Hill« dröhnte in gleichmäßigem Rhythmus.
Als Jazzy dieses Gebäude gekauft und die untere Etage in eine Bar umgewandelt hatte, war ihr Ziel gewesen, ein wenig Atmosphäre zu schaffen. Etwas mehr als nur laute Musik, Alkohol, der wie Wasser fließt, und einen verräucherten Innenraum. Obwohl die Bar diese drei Eigenschaften im Überfluss besaß, verband das Dekor gepflegte Moderne mit etwas Country-Stil. Die Bar, Tische und Stühle hatten eine klar geschnittene Form, das helle Holz und das Glas waren sauber mit Chrom umrahmt. Der wieder aufgearbeitete Hartholzboden wies allmählich Abnutzungserscheinungen auf. Über zwei Billardtischen im hinteren Teil des Raums hing jeweils eine Chromleuchte. Kunstwerke der Cherokee-Indianer – darunter Friedenspfeifen, handgearbeitete Töpferware und Körbe, sowie geschnitzte Masken – schmückten die Wände ebenso wie Gemälde von Ureinwohnern Amerikas. Drei faszinierende Bilder hingen an der Eingangswand, das eine ein Porträt von Austenaco, einem Häuptling der Cherokee im Achtzehnten Jahrhundert, das andere war Robert Lindneux’ Darstellung
Weitere Kostenlose Bücher