Bevor ich sterbe
stiert sie mich an. »Nein, dann bist du lebendig. Wenn du in ein Taxi steigst und zu Daddy nach Hause fährst, was bist du dann?«
Ich stelle mir vor, wie ich ins Bett gehe, die ganze Nacht die abgestandene Luft in meinem Zimmer einatme, am Morgen aufwache, und nichts ist anders als sonst.
Ihr Lächeln ist wieder da. »Komm schon«, sagt sie. »Du kannst den ersten Punkt von deiner blöden Liste abhaken. Ich weiß, dass du es willst.« Ihr Lächeln ist ansteckend. »Sag Ja, Tessa. Na los, sag es!«
»Ja.«
»Jippie!« Sie schnappt sich meine Hand und führt mich zurück zum Eingang. »Jetzt sims deinem Vater, dass du bei mir übernachtest, und dann kommen wir hier aber mal in die Gänge.«
VIER
M agst du kein Bier?«, fragt Jake.
Er lehnt an der Spüle in seiner Küche, und ich stehe dicht bei ihm. Das mache ich extra.
»Ich hab nur gerade Lust auf Tee.«
Er zuckt die Schultern, klinkt mit seiner Bierflasche gegen meine Tasse und legt den Kopf zum Trinken in den Nacken. Ich beobachte seinen Adamsapfel, während er schluckt, bemerke einen kleinen blassen Streifen unter seinem Kinn, eine Narbe von einem längst überstandenen Unfall. Er wischt sich den Mund mit dem Ärmel, merkt, dass ich ihn beobachte.
»Alles klar bei dir?«, fragt er.
»Ja. Bei dir auch?«
»Jau.«
»Gut.«
Er lächelt mir zu. Er hat ein nettes Lächeln. Ich bin froh. Es wäre so viel schwerer, wenn er hässlich wäre.
Vor einer halben Stunde haben sich Jake und sein Kumpel, der Kiffer, angegrinst, während sie Zoey und mir ihre Haustür aufhielten. Das Grinsen zeigte, dass sie einen Treffer gelandet hatten. Zoey sagte ihnen, sie sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber wir gingen doch in ihr Wohnzimmer, und sie überließ dem Kiffer ihren Mantel. Sie lachte über seine Witze, ließ sich von ihm Joints drehen und war bald total zu.
Ich kann sie durch den Türspalt sehen. Sie haben Musik angemacht, irgend so ein softes Jazzstück. Das Licht haben sie ausgeknipst,
um zu tanzen, und sie bewegen sich in langsamen bekifften Kreisen auf dem Teppich. In einer hochgereckten Hand hält Zoey einen Joint, die andere hat sie unter Kiffers Gürtel hinten an seiner Hose gesteckt. Er hat beide Arme um sie geschlungen, was aussieht, als stützten sie sich gegenseitig.
Ich komm mir plötzlich brav vor, in der Küche Tee zu trinken, und merke, dass ich mich mit meinem Plan ranhalten muss. Schließlich geht es hier um mich.
Ich kippe meinen Tee runter, stelle die Tasse auf die Spüle und rücke Jake noch dichter auf den Leib. Unsere Schuhspitzen berühren sich.
»Küss mich«, sage ich, und das hört sich lächerlich an, kaum dass es raus ist, was Jake aber offenbar nichts ausmacht. Er stellt sein Bier weg und neigt sich zu mir vor.
Wir küssen uns ganz sanft, mit Lippen, die sich gerade mal berühren, nur ein ganz leichter Hauch Atem von ihm zu mir. Ich wusste schon immer, dass ich eine gute Küsserin sein würde. Ich habe die ganzen Zeitschriften gelesen, wo alles drinsteht über Nasenzusammenstoßen und Speichelfluss und wo man seine Hände hintut. Aber ich habe trotzdem nicht gewusst, dass es sich so anfühlen würde, das sanfte Reiben von seinem an meinem Kinn, seine Hände, die zärtlich meinen Rücken abtasten, seine Zunge, die meine Lippen entlang und dann in meinen Mund fährt.
Wir küssen uns minutenlang und pressen uns aneinander, einer an den anderen gedrückt. Was für eine Erleichterung es ist, mit jemandem zusammen zu sein, der mich überhaupt nicht kennt. Meine Hände wagen sich vor, tauchen in die Kuhle, wo sein Rückgrat endet, und streicheln ihn dort. Wie gesund er sich anfühlt, wie solide.
Ich öffne die Augen, um zu sehen, ob es ihm gefällt, lasse mich aber stattdessen von dem Fenster hinter ihm anziehen, von den in Nacht getauchten Bäumen dort draußen. Kleine schwarze
Zweige pochen wie Finger gegen die Scheibe. Ich kneife die Augen zu und schmiege mich dichter an ihn. Durch mein kurzes rotes Kleid spüre ich, wie stark er mich will. Tief in der Kehle entringt sich ihm ein kleines Stöhnen.
»Komm, gehen wir nach oben«, sagt er.
Er versucht, mich zur Tür zu steuern, aber ich lege ihm die flache Hand auf die Brust, um ihn auf Abstand zu halten, während ich nachdenke.
»Komm schon«, sagt er. »Du willst es doch, oder?«
Durch meine Finger spüre ich sein Herz pochen. Er lächelt auf mich herab, und ich will es doch, oder etwa nicht? Bin ich nicht deshalb hergekommen?
»Okay.«
Er verflicht seine warme
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