Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
es auch nichts bezweckt, denn er hatte plötzlich das Gefühl, dass Bente schon sehr lange an seine Tür klopfte. Vorsichtig setzte er sich im Bett auf und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Es war dunkel, so dass es inzwischen wohl Abend oder Nacht geworden war. Dennoch konnte er den Couchtisch erkennen, der mit Flaschen und einigen improvisierten Aschenbechern vollgestellt war.
»Jetzt wach schon auf, verdammt! Oder sollen wir die Tür eintreten? Wir geben dir zwei Minuten!«
Aha, Martin stand also auch dort draußen. Ansgar versuchte zu erkennen, ob noch etwas in den Flaschen war. Hoffentlich hatte er noch nicht seinen ganzen Vorrat geleert. Auf dem Nachttisch stand ein volles Wasserglas, daneben lag ein Päckchen zerknautschte Zigaretten. Also war er doch halbwegs klar im Kopf gewesen, als er sich hingelegt hatte. Es klopfte erneut, und er nahm einen Schluck Wodka und tastete mit der Hand an der Wand entlang, bis er den Lichtschalter fand. Als die Neonröhre ansprang, wurde er für einen Moment von einem Schmerz zurückgeworfen, der ihm durch die Stirn und bis in den Nacken schoss.
Als er sich mit zitternden Fingern eine Zigarette angesteckt und mehrmals daran gezogen hatte, fühlte er sich endlich stark genug, um wieder auf die Beine zu kommen. Er verstand nicht, was die anderen von ihm wollten. Sein Gedächtnis lag unter einem dichten Schleier, und er hatte das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmte, kam aber nicht darauf, was. Hatte er sich gestern übermäßig peinlich aufgeführt? Oder warum standen sie sonst dort und drohten damit, sich gewaltsam Zugang zu seinem Zimmer zu verschaffen? Eigentlich waren sie einem bisschen Partystimmung und Krawall doch sonst nicht abgeneigt. Er stützte sich am Kleiderschrank ab und wankte zur Tür, und jetzt konnte er sie draußen gedämpft miteinander sprechen hören. Es klang, als würde Martin gerade allen Mut zusammennehmen, um seine Drohung, die Tür einzuschlagen, wahr zu machen.
»Ich komme ja schon!«
Ansgar schloss die Tür auf. Beim Anblick der beiden bekannten Gesichter kehrte die Erinnerung mit einem Schlag zurück, und er spürte, wie die Beine unter ihm nachgaben. Mikkel!
Halb sitzend, halb liegend, kam er auf dem Sofa wieder zu sich. Durch das Fenster drang kühle Nachtluft herein. Also musste es jemand geöffnet haben, obwohl das gegen die Regeln der Ausgangssperre verstieß. Allerdings war es jetzt dunkel, nur die kleine Nachttischlampe war eingeschaltet. Er bekam ein Wasserglas in die Hand gedrückt, und diesmal war es nicht mit Wodka gefüllt. Überhaupt hatte jemand die Spuren seiner Ausschweifungen beseitigt, und als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, konnte er sehen, dass Martin und Bente gegenüber auf ihren Stühlen saßen und ihn beobachteten. Es sah nach einer Verschwörung aus.
»Wir müssen reden, Ansgar.«
Bentes Stimme klang ungewohnt fest. Ansgar blinzelte und versuchte sich zu konzentrieren, aber die Gedanken drängten sich immer wieder auf: das Telefonat mit Ulla, die ihm so merkwürdig gefasst vom Mord an seinem Sohn berichtet hatte. Die Details, wie brutal er getötet worden war. Und dann die nagende Unruhe, dass es seine Schuld sein könnte. Dass er den Tod seines Sohnes provoziert hatte, indem er ihn in diese Sache hineingezogen hatte. Das Letzte, was Mikkel ihm erzählt hatte, war, dass er direkt zum Geschäftsführer von Kintu gegangen sei. Denn dieser, so hatte sein Sohn gesagt, müsse ihm doch bei der Frage behilflich sein können, wer an der Spitze dieser Organisation dafür verantwortlich sei. Und anschließend hatte er nichts mehr von Mikkel gehört.
»Wir wissen, dass es hart für dich ist, und wir verstehen auch, dass du gerade nur schwer an etwas anderes denken kannst, aber …«
Bente zögerte, und Martin unterbrach sie mit schriller Stimme: »Hast du überhaupt darüber nachgedacht, was das für uns bedeutet? Wir müssen etwas unternehmen!«
Ansgar sah verwirrt zu Bente, die von Martins Hysterie ziemlich unberührt schien, aber auch keine Anstalten machte, ihn zu bremsen.
»Ich verstehe nur nicht, warum wir immer noch nichts von Carl gehört haben«, sagte Ansgar.
Martin starrte ihn fassungslos an.
»Hast du es immer noch nicht kapiert? Dass es bis in die höchsten Ebenen geht?«
Und tatsächlich verstand er erst jetzt, was Martin meinte. Es war, als wären seine Gedanken zu schwer, um sie festhalten zu können.
»Glaubt ihr, er weiß, wo Mikkel sein Wissen herhatte?«
»Nicht
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