Bewahre meinen Traum
Abend, an dem sie ihre Jungfräulichkeit an einen West-Point-Kadetten verloren hatte. Aber der Teil, an den sie sich am lebhaftesten erinnerte, der Teil, der ihr wieder und wieder durch den Kopf ging, hatte weniger mit Laurence Jeffries und mehr mit Greg Bellamy zu tun. Was wirklich dumm war, denn er dachte ja ganz offensichtlich überhaupt nicht an sie. Er war total beschäftigt mit Sophie und dem kleinen Baby, das sie ihm gebracht hatte.
An einem Punkt des Abends stand sie an eine Wand gelehnt da und versuchte einen Weg zu finden, ihren BH zu richten, ohne dabei zu offensichtlich zu sein. Vielleicht machte sie gerade eine Phase körperlicher Veränderungen durch, denn alle ihre BHs fühlten sich in letzter Zeit zu eng an. Sie stellte ihr Tablett auf einen Tisch und zog diskret durch ihre Bluse an dem elastischen Band.
„Ist das für mich?“, fragte jemand.
Nina nahm sofort Haltung an, wie ein Soldat. Oh, verdammt. Greg Bellamy. „Was?“, fragte sie und merkte erst dann, dass er das Tablett anschaute und nicht sie. „Ja, sicher.“ Sie hob das Tablett mit den Champagnerflöten wieder an.
Er sah sie direkt an, doch ihre Zunge war wie gelähmt. Was sagte man zu einem Mann, der komplett und zu einer Million Prozent nicht zu haben war?
„Oh, hi“, sagte sie. Oh, brillant, Nina, dachte sie.
„Hi“, erwiderte er, und schien dann auch nicht weiterzuwissen. Er nahm sich ein Glas von dem Tablett, das sie in Händen hielt, und trank es in einem Zug aus.
Großartig, dachte sie. Er erinnerte sich nicht einmal mehr an sie. Sie war eine angeheuerte Bedienung, ungefähr genauso interessant wie die Tapete an der Wand, vor der sie stand. Was natürlich der Sinn der Sache war – sie, Jenny und das andere Personal trugen schwarze Hosen, flache schwarze Schuhe mit leisen Sohlen und gestärkte weiße Hemden. Die Haare hatten sie in einem ordentlichen Pferdeschwanz zurückgebunden. Trotzdem, dachte sie und schob das Tablett in den Rollwagen für den Abräumer. Trotzdem.
Eine Gruppe von Gregs Collegefreunden kam zu ihm und fing an, ihn damit aufzuziehen, dass er der Erste war, der heiratete. „Auf dich, Kumpel“, sagte ein rotgesichtiger Student und hob sein Glas. „Mögest du tapfer voranschreiten in Gebiete, die noch keiner von uns betreten hat.“
„Ja, direkt in die Arme der kleinen Frau“, sagte ein anderer. „Hört ihr das? Das ist die Falle, die gerade zugeschnappt ist.“
Sie alle lachten, als wäre es ein ganz ausgezeichneter Witz. Als wenn es toll wäre, ihn auf seiner Hochzeit damit aufzuziehen, dass er wie eine Ratte in der Falle saß. Sie sah, dass er direkt hintereinander drei weitere Gläser Champagner hinunterstürzte. Sie war keine Expertin, was Hochzeiten anging, aber sie war sich ziemlich sicher, dass man sich an seinem eigenen Hochzeitstag nicht ins Koma trinken sollte, weil das die Hochzeitsnacht negativ beeinflusste. Nach seinem vierten Glas Champagner ging er mit steifen Schritten fort. Seine ganze Körperhaltung strahlte Wut aus. Er schien in Richtung Toiletten zu gehen, die sich neben der Treppe befanden. Doch stattdessen blieb er an einer Nebentür stehen, schaute sich verstohlen um und schlüpfte hinaus.
Jetzt war Nina auf einer Mission. Was hatte der Kerl vor? Sie ging zu der Tür und sah, dass sie zu einer Außentreppe führte, die an einem schmalen Weg endete, der bis hinunter zum See verlief. Sie trat ungesehen hinaus und sah, dass Greg auf dem umlaufenden Gang stehen geblieben war. Hier hingen bemalte Paddel und andere Erinnerungen, die die Camper den Sommer über gemacht hatten. Während sie ihn beobachtete, holte Greg mit seiner Faust aus und schlug sie mit voller Wucht gegen die Wand. Die Verkleidung gab mit einem dumpfen Knacken nach. Er stieß einen Fluch aus, der nicht mal Ninas Brüdern über die Lippen gekommen wäre. Eine Wolke Gipspulver umwehte ihn.
Nina zögerte nicht. Sie eilte die Stufen hinunter und erreichte ihn gerade in dem Moment, als er zu einem weiteren Schlag ausholte. „Hey“, flüsterte sie laut. „Hey, lass gut sein.“
Er wirbelte zu ihr herum. Seine Wut schien durch die Dunkelheit zu peitschen. Nina zuckte nicht. Sie war eine Romano. Sie hatte Brüder. Ein wütender Kerl schüchterte sie nicht im Geringsten ein. „Ich sagte, lass es gut sein.“
Zu ihrer Überraschung sackten seine Schultern zusammen und jeglicher Kampfgeist verließ seinen Körper. „Wer zum Teufel bist du?“, murmelte er und versuchte, sie in der Dunkelheit zu erkennen.
Sie
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