Bewahre meinen Traum
ihrer Welt gewesen war.
In dem Versuch, sich wieder auf den Augenblick und auf Shane zu konzentrieren, beschleunigte sie ihre Schritte, um mit ihm mitzuhalten. Da spürte sie ein Stechen an ihrem Bein. Zu spät bemerkte sie, dass sie ein Büschel oberschenkelhoher Brennnesseln gestreift hatte.
Der Schmerz ließ sie zischend einatmen, doch Shane schien es gar nicht zu bemerken, zu sehr war er darin vertieft, ihr in allen Einzelheiten von seiner letzten Golfpartie zu erzählen.
Golf, dachte Nina und biss die Zähne zusammen, um das stechende Brennen zu unterdrücken. Das war etwas, was sie schon immer mal hatte ausprobieren wollen. Es gab so vieles, was sie immer aufgeschoben hatte. Jetzt, wo Sonnet fort war, hatte sie die Chance, das alles nachzuholen.
Der Gedanke erfüllte sie mit neuem Schwung und ließ sie das Brennen beinahe vergessen. Es war ein wunderschöner Sonntagnachmittag, und überall saßen und gingen Leute, als wären sie gerade aus dem Winterschlaf erwacht. Sie liebte den Anblick von Pärchen, die am Seeufer entlangschlenderten, Familien, die im Park picknickten, Kanus und Kajaks, die das klare Wasser des Sees durchschnitten.
Nina liebte alles an ihrer Heimatstadt. Es war der perfekte Ort, um die nächste Phase ihres Lebens zu beginnen. Die Verbindungen aus ihrer Zeit als Bürgermeisterin und Shanes Bank waren der Schlüssel für ihre neuen Pläne. Sie war im Begriff, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen.
„Du hast also gewartet, bis ich mich von meinem Amt als Bürgermeisterin befreit habe“, meinte sie an Shane gewandt. „Das ist gut zu wissen. Wie läuft es in der Bank?“
„Es hat in letzter Zeit einige Veränderungen gegeben“, erwiderte er. „Darüber wollte ich später noch mit dir sprechen.“
Sie wunderte sich über die Art, wie er ihrem Blick auswich, während er sprach. „Was für Veränderungen?“
„Wir haben ein paar neue Mitarbeiter, die während deiner Abwesenheit zu uns gestoßen sind. Und können wir bitte nicht übers Geschäft reden?“ Er berührte ihren Arm und schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick. „Da hinten auf dem Weg“, er zeigte in die Richtung. „Da hat es sich angefühlt, als hätte es wirklich zwischen uns gefunkt. Ich habe dich vermisst. Drei Wochen sind eine lange Zeit.“
„Hm-mh.“ Sie ermahnte sich, fair zu sein, ihm eine Chance zu geben. „Für mich sind drei Wochen nicht so lang. Ich habe Jahre darauf gewartet, endlich loszulegen. Das ist es. Mein neues Leben. Ich fange endlich an, die Zukunft zu haben, von der ich träume, seitdem ich ein kleines Mädchen war.“
„Äh, ja, das ist toll.“ Er schien nervös, und ihr fiel wieder ein, dass er nicht über die Arbeit reden wollte, also ließ sie das Thema fallen.
„Ich bin froh, dass ich die Reise mit Sonnet machen konnte“, sagte sie. „Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann wir das letzte Mal echte Ferien gehabt haben.“
„Ich dachte, du würdest dich vielleicht vom Leben in der Großstadt verführen lassen und gar nicht mehr zurückkommen“, meinte er.
Er kannte sie wirklich überhaupt nicht. „Mein Herz ist hier, Shane“, sagte sie. „Und das ist es immer gewesen. Hier in dieser Stadt, in der ich aufgewachsen bin, in der meine Familie lebt. Ich könnte Avalon nie verlassen.“
„Also hast du auf deiner Reise Heimweh gehabt?“
„Nein, weil ich ja wusste, dass ich zurückkommen werde.“ Am Tag nach der Abschlussfeier waren Nina und Sonnet mit dem Zug nach Washington gefahren und hatten dort drei wundervolle Wochen miteinander verbracht. Sie hatten sich die Hauptstadt und die Denkmäler aus der Kolonialzeit in Virginia angeschaut. Auch wenn Nina es nie zugeben würde, hatte sie die Reise auch unternommen, um sich noch einmal bei Ninas Vater und seiner Familie rückzuversichern. Sonnet sollte den Sommer mit ihnen verbringen. Laurence Jeffries war ein hochrangiger Offizier der Army und Militärattaché. Er hatte Sonnet eingeladen, mit ihm, seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Casteau in Belgien, zu reisen, wo Laurence einen Posten beim Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa antreten würde.
Die Tatsache, dass ihr Vater beim SHAPE arbeitete, wie die Militärangehörigen die Einrichtung abkürzten, bot Sonnet eine einmalige Gelegenheit, denn sie konnte ein Praktikum bei der NATO absolvieren. Außerdem war es ihre Chance, Laurence besser kennenzulernen. Laurence und seine Vorzeigefamilie. Er war ein leuchtender Stern, ein
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