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Totenfluss: Thriller (German Edition)

Totenfluss: Thriller (German Edition)

Titel: Totenfluss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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PROLOG
    Memorial Day 1948
    Floyd Wright kam atemlos und mit rotem Kopf in Williams’ Büro gestürzt, seine Kleidung war staubig von der Fahrt auf der Draisine.
    »Es sieht schlimm aus«, sagte Floyd.
    Williams erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Er nahm die Nachricht mannhaft auf. Man wurde nicht Präsident der Portland Union Stockyards, wenn man nichts einstecken konnte. Er hatte gewusst, dass das passieren konnte. Deshalb hatte er Floyd auf Patrouille geschickt. Er rechnete bereits ihre Verluste durch, dirigierte Viehwaggons auf alternative Strecken um. Auch wenn die Gleise ein paar Tage lang nicht benutzbar waren, konnten sie die Metzger weiter mit Fleisch versorgen.
    Williams’ Sekretärin hastete hinter Floyd ins Büro, aber Williams wollte nicht von ihr unterbrochen werden. Er machte ihr ein Zeichen, zu warten, und sie blieb stehen.
    Floyd hielt den Hut in der Hand. »Es ist die Westseite«, sagte er. »Ein vollständiger Bruch auf mindestens zwanzig Meter Länge.«
    Zwanzig Meter? Sie hatten mit der einen oder andern undichten Stelle im Damm gerechnet, die man reparieren konnte. Ein Bruch auf zwanzig Meter Länge war etwas völlig anderes. Dafür gab es keine Notfallpläne.
    »O mein Gott«, sagte die Sekretärin.
    Sie hatte die Hand vor den Mund geschlagen und starrte aus dem Fenster.
    Williams hatte genügend Zeit an diesem Fenster verbracht und die Viehwaggons hereinkommen sehen, um genau zu wissen, worauf sie blickte.
    Er ging um seinen Schreibtisch herum, trat rasch neben sie und bedeutete Floyd, sich ihnen anzuschließen. Es war ein klarer, sonniger Tag, fünfundzwanzig Grad warm. Keine Wolke am Himmel. Das Büro lag im obersten Stockwerk. Über vierzig Hektar Pferche hinweg, in denen Vieh auf den Schlachter wartete, hatten sie einen guten Blick auf die Stadt Vanport und die Eisenbahnschienen, die die Ostgrenze der Stadt bildeten. Zweiundsiebzig zweistöckige Wohngebäude standen in Vierergruppen um Infrastruktur-Bauten – ein Kino, eine Grundschule.
    Der Eisenbahndamm fungierte als Deich, der den Smith Lake von der Überflutungsebene Vanports trennte. Der Deichbruch war bis hier oben sichtbar. Wo Kies und Erde dem Druck des Sees nachgegeben hatten, strömte braunes Wasser über die Gleise und zur Stadt hinunter.
    Vanport würde überflutet werden, und zwar schnell. Williams fühlte, wie sich seine Eingeweide verkrampften. Die Viehhöfe lagen oberhalb der Überschwemmungsebene. Die Gebäude, das Vieh – das Wasser konnte sie nicht erreichen. Aber die Menschen in Vanport. All diese Menschen.
    »Rufen Sie den Stadtdirektor von Vanport an«, rief Williams seiner Sekretärin zu. »Sagen Sie ihnen, im Bahndamm nicht weit von der nordwestlichen Ecke des Baugebiets ist ein zwanzig Meter breites Loch.«
    Das Mädchen zögerte. Ihr Blick war wild.
    »Sofort«, sagte er.
    »Ja, Sir«, antwortete sie, machte kehrt und lief zu ihrem Schreibtisch im Vorzimmer hinaus.
    Fünfzehntausend Menschen wohnten in Vanport. Arbeiter. Familien. Sehr viel weniger, als während des Kriegs dort gewohnt hatten. Die Wohnungen waren billig, aber die Wände waren papierdünn, und es gab nachts kein warmes Wasser und keine Heizung.
    »Die Leute haben keine Telefone«, sagte Floyd. »Hat die Gesellschaft so entschieden.«
    Während die Minuten verrannen, horchten die beiden Männer schweigend nach den Notfallsirenen. Williams hörte nichts. Er schob das Fenster hoch. Der Geruch nach Vieh und Heu breitete sich im Büro aus, er hörte das Muhen der Kühe und das Trampeln ihrer Hufe auf der kahlen Erde. Aber er hörte noch immer keine Sirenen.
    Es war 16.35 Uhr.
    Seine Sekretärin kam zurück.
    »Und?«, fragte Williams.
    »Ich habe es ihnen gesagt«, antwortete sie.
    Weitere Minuten vergingen. Williams wurde langsam wütend. Er griff nach einem Fernglas, das er immer auf dem Fensterbrett liegen hatte. Der Bruch war breiter geworden, er war jetzt fast einen Straßenblock lang. Das Wasser des Smith Lake ergoss sich wie ein schimmernder brauner Katarakt über den Deich. Es kam mit solcher Gewalt daher, dass Williams seine Bewegung sah, wie es sich westlich des Deichs ausbreitete, wo sich ein neuer See bildete, der mit jeder Sekunde umfangreicher wurde, und das schlammige Wasser verwandelte sich, während es vordrang, es reflektierte das ruhige Blau des Himmels und wirkte täuschend friedlich. Er folgte dem Wasser mit dem Fernglas nach Westen, auf Vanport zu. Ein Junge fuhr mit seinem Fahrrad durch das einen halben Meter tiefe Wasser,

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