Hintergangen
Prolog
S trahlender Sonnenschein flutete durch die hohen Fenster. Jeder Winkel des Raums war in weiches gelbes Licht getaucht, was seine eleganten Proportionen am vorteilhaftesten zeigte. Es war ein Desaster. Das Einzige, womit sie nicht gerechnet hatte: ein sonniger Tag.
Maximale Wirkung – darauf legte sie es an. Kleidung, Haare, Schmuck, ihre Detailgenauigkeit war wichtig, denn jede falsche Note würde ihre Glaubwürdigkeit gefährden. Doch anstatt die Illusion durch subtile Beleuchtung und stimmungsvolle Schatten zu vervollständigen, ähnelte der Raum eher einer lichtüberfluteten Bühne. Es war Ende Oktober in London. Eigentlich sollte es regnen.
Sie war unschlüssig. Sollte sie die Vorhänge zuziehen? Nein. Das würde nicht funktionieren. Viel zu offensichtlich, es würde ihm nicht gefallen. Doch die Zeit wurde knapp, sie musste sich schnell etwas einfallen lassen. Rasch rückte sie einen Ledersessel so zurecht, dass er zur Tür zeigte, gerade so viel, dass sie sein Gesicht würde sehen können, ohne den Kopf zu wenden. Aber nicht geradeaus, denn dann könnte sie sich nirgends verstecken. Und das Licht vom Fenster musste natürlich hinter ihr sein, damit ihr Gesicht genug im Schatten war, um zu verbergen, was ihr Blick möglicherweise unfreiwillig offenbaren würde.
Damit waren ihre Vorbereitungen abgeschlossen. Jetzt konnte sie nur noch abwarten. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt, ihre Schultern verkrampft. Sie hörte, wie ein Auto anhielt und eine Wagentür zuschlug. Beim hastigen Blick in den Spiegel, ob auch alles perfekt war, bemerkte sie beunruhigt die innere Aufgewühltheit, die ihre Augen preisgaben. Sie atmete tief durch und unterdrückte die Gedanken und Bilder, die sie bedrängten, rang um Fassung.
Ein paar Minuten lang hörte sie nichts, wusste jedoch, dass er im Haus war. Es waren keine Schritte zu hören, der dicke Teppich im Korridor und auf der Treppe in den dritten Stock verschluckte jedes Geräusch. Doch er bewegte sich direkt auf das Schlafzimmer zu. Mit jeder Faser ihres Körpers spürte sie es.
Die Tür wurde langsam geöffnet, doch er blieb mit unergründlicher Miene im Türrahmen stehen. Eine Zeit lang sagte er nichts, und sie erwiderte seinen Blick unbeirrt. Er war zweifellos ein gut aussehender Mann. Sein maßgeschneiderter Anzug saß perfekt an seiner hochgewachsenen, sehnigen Gestalt, sein grau meliertes Haar war wie immer makellos. Er sah genau wie der erfolgreiche Mann aus, der er war. Ein Liebling der Medien, kein Wunder.
Endlich lächelte er, Siegesgewissheit umspielte seine geschwungenen Lippen. Ihr Herz pochte unregelmäßig, doch ihr Gesicht blieb unbewegt.
»Ich wusste, du würdest kommen.« Er hielt inne und ließ den Blick über ihren Körper gleiten. »Du hattest keine Wahl, hab ich recht?« Er nickte selbstgefällig. »Du siehst perfekt aus.«
Wohl wissend, dass sie sich keine Fehler leisten konnte, hatte sie alles sorgfältig ausgewählt – den knielangen schwarzen Lederrock mit den durchsichtigen schwarzen Strümpfen, dazu ein weißes Oberteil mit V-Ausschnitt in Seidenstrick, so geschnitten, dass es ihre Brüste leicht umspielte und nur erahnen ließ, was darunter war. Ihre gekonnt übereinandergeschlagenen Beine offenbarten einen Blick auf die Schenkel, schlichter, aber eleganter Goldschmuck vervollständigte das Bild. Er schien erfreut. Den ersten Test hatte sie bestanden. Nun hoffte sie, ihre Gefühle noch eine Weile kontrollieren zu können.
»Wozu die Handschuhe?«, fragte er, als er ihre bis zum Ellbogen reichenden schwarzen Seidenhandschuhe bemerkte.
»Ich dachte, sie würden dir gefallen.«
Wieder lächelte er, und sie wusste, dass er sich über sie lustig machte.
»Und du hattest recht.«
Er deutete auf den Eiskübel, den sie zusammen mit zwei Sektflöten auf den Beistelltisch mit der Marmorplatte gestellt hatte.
»Champagner! Zur Feier des Tages.« Sein leises Lachen klang freudlos.
Sie griff danach und zwang ihre Hände, nicht zu zittern, während sie einen dünnen Strahl des blassgoldenen, perlenden Getränks in beide Gläser schenkte. Er trat auf den Tisch zu, griff nach einem Glas und nahm zögernd einen Schluck.
»Köstlich, aber keine gute Idee. Wir sollten unsere Sinne lieber nicht betäuben, was meinst du?« Behutsam stellte er das Glas wieder auf den Tisch und schaute ihr direkt in die Augen.
»Du hast die Initiative ergriffen. Das ist gut. Heißt das, du übernimmst heute die Führung?«
Sie stand auf und ging
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