Bewegungswissenschaft
bestimmte Gesetzmäßigkeiten der (Bio-)Mechanik zu Grunde, die im 15. Jahrhundert erstmals durch das Universalgenie Leonardo D A V INCI (1452-1519) systematisch erforscht wurden. Seine grundlegenden (bio-)mechanischen Entdeckungen haben auch 500 Jahre später in der Physik, der Biomechanik und der Bewegungswissenschaft des Sports nichts an Bedeutung verloren. Zuverlässige Verfahren der äußeren physikalisch-mechanischen Zeit-, Weg-, Orts- und Kraftmessung der Bewegung, der körperinternen elektrophysiologischen Erfassung von Bewegungs- und Reflexphänomenen oder der Berechnung des Massenschwerpunkts mehrgelenkiger lebender Systeme stehen der Bewegungsforschung seit Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verfügung. Einen großen Einfluss auf die Etablierung der biomechanischen Forschungsmethodik in der sportbezogenen Bewegungswissenschaft hat die schnell voranschreitende technologische Weiterentwicklung der Analyseverfahren der äußeren und inneren Biomechanik (hochauflösende Videometrie, Kraftmessung im lebenden Organismus, Elektromyografie, automatisierte Datenanalyse usw.). Diese ermöglichen differenzierte Untersuchungen sportartspezifischer Bewegungstechniken, umfangreiche experimentelle Bewegungsstudien und objektive Sofortinformationen an Trainer und Athleten.
Trotz der großen Zuverlässigkeit äußerer und innerer Bewegungsanalysen, der langjährigen biomechanischen Forschungsarbeit und des wachsenden Interesses von Sportlehrern, Trainern, Athleten, Sportorthopäden und Physiotherapeuten an den physikalisch-biomechanischen Methoden und Befunden zur Körperhaltung, Bewegung und Motorik sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts die biomechanischen Erscheinungen und körperinternen Ursachen, Funktionsprozesse und Gesetzmäßigkeiten sporttypischer Fertigkeiten nur ansatzweise aufgedeckt. Zu den ungelösten Fragen der Biomechanik des Sports zählen: Gibt es gesetzmäßige Bewegungsstrukturen? Welche biomechanischen Kenngrößen beeinflussen die sportmotorische Leistung? Welchen Einfluss nehmen die körperbauliche Ausstattung und bestimmte Sportgeräte auf die sportmotorische Leistung? Welchen spezifischen Grenzen unterliegt die motorische Leistungsfähigkeit des menschlichen Bewegungssystems? Wie können die disziplinspezifischen Bewegungstechniken und die organismischen Leistungsvoraussetzungen des Individuums verbessert werden?
1 Was ist von dieser Lektion zu erwarten?
Sportpraktiker erwarten von biomechanischen Bewegungsanalysen zum einen die Bestimmung, Beschreibung, Gewichtung und Erklärung der relevanten biomechanischen Einflussfaktoren disziplinspezifischer Sporttechniken. Zum anderen besteht ein großes Interesse an der Feststellung der Defizite und der Prognose sportmotorischer Leistungen, der Bestimmung der mechanischen Belastbarkeit der organismischen Strukturen und der Optimierung von Sportgeräten und Sportschuhen. Die Darstellung der vielfältigen Problembereiche und forschungsmethodischen Rahmenbedingungen biomechanischer Bewegungsanalysen kann im Rahmen des vorliegenden Lehrbuchs sicherlich nur in Form eines knappen Überblicks gelingen. Lektion 10 behandelt die nach Ansicht des Autors für das sportwissenschaftliche Grundstudium bedeutsamen Aspekte der äußeren Biomechanik des Sports.
Für ein besseres Verständnis der Grundlagen der Biomechanik bespricht Kapitel 2 wichtigste Begriffe (Mechanik, Biomechanik, Messung, Messgröße, Biomechanik des Sports, biomechanische Einflussgrößen, Bewegungsmerkmale, Körper, Zeit, Raum, Kraft) und übergreifende Zielkategorien. Zu den im Sport bedeutsamen äußeren biomechanischen Untersuchungsverfahren zählt die auf die zeitlich-räumlichen Bewegungsmerkmale ausgerichtete Kinemetrie (Kap. 3.1). Hiermit sind spezielle Messmethoden zur Bestimmung der biokinematischen Grundgrößen Strecke, Winkel, Zeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung (Kap. 3.1.1) und des Massenschwerpunkts lebender Systeme gemeint (Kap. 3.1.2). Die gesetzmäßigen Zusammenhänge zwischen den zeitlich-räumlichen Bewegungsmerkmalen und der Wirkung der zu Grunde liegenden Kräfte erfasst die Dynamometrie (Kap. 3.2). Neben den biodynamischen Kenngrößen translatorischer und rotatorischer Bewegungen werden die im Sport gebräuchlichen dynamometrischen Messverfahren vorgestellt (Kap. 3.2.1). Kapitel 4 bündelt die wesentlichen Inhalte der Lektion 10.
2 Welche Begriffe sind grundlegend?
Menschliche Bewegungen unterliegen grundsätzlich den Bedingungen der physikalischen Umwelt. Die Mechanik als
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