Bewegungswissenschaft
Reflexaktivität.
Die nachfolgenden Abschnitte stellen die biomechanischen Grundlagen und die generelle Forschungsmethodik der äußeren Biomechanik des Sports vor. Konkret beschäftigt sich Unterkapitel 3.1 mit den biokinematischen Grundgrößen sporttypischer Bewegungen und den kinemetrischen Messverfahren (Kap. 3.1.1). Die wichtigsten methodischen Verfahren zur Bestimmung des Massenmittelpunkts lebender Systeme bespricht Abschnitt 3.1.2. Auf die biodynamischen Bewegungsmerkmale und die dynamometrischen Untersuchungsmethoden geht Unterkapitel 3.2 ein.
Abb. 71: Messverfahren der äußeren und inneren Biomechanik des Sports
3.1 Was ist Biokinematik und Kinemetrie?
Die Biokinematik befasst sich mit der
Beschreibung und der Erklärung sportlicher Bewegungen als
Ortsveränderungen von Körpern in der Zeit. Die Wegmerkmale, die Positionsveränderungen, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung eines Körpers lassen sich nur in Bezug auf einen anderen Körper eindeutig bestimmen. Der Pilot eines Segelflugzeugs kann ohne Sichtkontakt zur Erde (Bezugssystem) nicht exakt die Geschwindigkeit seines Flugzeugs abschätzen. Die Biomechanik des Sports benutzt als Bezugssystem die als „ruhend“ angesehene Umgebung des zu analysierenden Körpers (Hallenboden, Weitsprunganlage, Schwimmbecken, fest installierte Sportgeräte usw.). Zur vollständigen Beschreibung sportlicher Bewegungen ist die Körperkoordinate in diesem Bezugssystem zu jedem Zeitpunkt unerlässlich, da der Körper im Verlauf der Zeit seinen Standort verändert. Abbildung 72 zeigt das üblicherweise verwendete kartesische Koordinatensystem mit den drei senkrecht zueinander stehenden x-, y - und z-Raumachsen.
Abb. 72: Kartesisches Koordinatensystem mit den drei x-, y- und z-Raumachsen
Ortsveränderungen von Körpern werden nach ihrer räumlichen Verlaufsform in Translationsbewegungen (fortschreitende Bewegungen) und Rotationsbewegungen (Drehbewegungen) untergliedert. Bewegen sich die Körperpunkte in eine Richtung auf einer geraden oder beliebig gekrümmten Kurve im Raum, wie bei Schlag-, Schuss- oder Wurfbewegungen (Gerade im Boxen, schräger Wurf usw.), handelt es sich im physikalischen Sinn um eine Translationsbewegung . Die einzelnen Körperpunkte beschreiben hierbei parallel zueinander verschobene Kurven gleicher Länge ( vgl. Abb. 73 a).
Bei biokinematischen Analysen translatorischer Bewegungen interessieren nicht nur die zurückgelegte Strecke s (phys. Einheit: m), sondern auch die hierfür benötigte Zeit t (phys. Einheit: s). Während die Orts- und Zeitmerkmale direkt erhoben werden können, müssen mit (einfachen) mathematischen Formeln die gerichtete Geschwindigkeit (Ortsveränderung eines Körpers in der Zeit:= Δ/ Δt; phys. Einheit: m/s), die gerichtete Beschleunigung a (Geschwindigkeitsveränderung in der Zeit:= Δ/ Δt; phys. Einheit: m/s 2 ) und die Frequenz (Häufigkeit eines Ereignisses pro Zeiteinheit: n/t ; phys. Einheit: 1/s) berechnet werden.
Bei Rotationsbewegungen beschreiben alle Körperpunkte konzentrische Kreise (unterschiedliche Radien) um eine feste Drehachse ( vgl. Abb. 73 b). Rotationsbewegungen kann der Sportler um die drei Hauptdrehachsen seines Körpers ausführen. Bei der Horizontalachse (Tiefenachse) verläuft die Hauptbewegungsrichtung parallel zur Erdoberfläche, bei der Vertikalachse (Längsachse) senkrecht zur Erdoberfläche und bei der Querachse (Breitenachse) quer zur Hauptbewegungsrichtung und parallel zur Erdoberfläche. Der Drehpunkt der Rotation kann innerhalb oder außerhalb des Körpers liegen.
Abb. 73: Räumliche Bewegungscharakteristika (mod. nach B AUMANN , 1989a, S. 15)
a ) Translation auf einer geradlinigen oder gekrümmten Bewegungsbahn
b ) Rotation
Reine Rotationsbewegungen treten bei Menschen in der Realität selten auf. Im Allgemeinen handelt es sich bei Willkürbewegungen um eine Überlagerung von Translation und Rotation. Beim Hineindrehen einer Messingschraube in ein Gewinde erfolgt eine Rotation um die Schraubenachse und zeitgleich eine parallele translatorische Verschiebung der Schraubenachse in das Gewinde. Beim Laufen rotiert der Oberschenkel um das Hüftgelenk und der Unterschenkel um das Kniegelenk. Das Vorwärtsbewegen stellt die Translation dar. Der zweieinhalbfache Salto im Wasserspringen besteht aus einer rotatorischen Bewegung um den Körperschwerpunkt (vgl. Kap. 3.1.2) und aus einer Translation in Richtung der Schwerkraft ( vgl. Abb. 74 ).
Zu den grundlegenden biokinematischen
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