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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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ihren Nacken. Der Babygeruch war fast weg, aber noch nicht ganz.
    Als sie Säuglinge waren, hab ich oft gedacht: Sie riechen wie Gummiente mit Honig.
    Für mich war es der schönste Geruch der Welt.
    Nach dem Frühstück hab ich sie dann in die Schule gebracht. Wie jeden Morgen. Das lag für mich auf dem Weg. Ich ließ sie aussteigen, sie rannten auf den Schulhof, und ich fuhr weiter.
    Auch an diesem Morgen war alles ganz normal. Im Wegfahren hab ich noch Irmgard gesehen, aber hab ihr nur kurz zugenickt. Sie wusste, dass ich es immer eilig hatte, weil ich um Viertel vor acht in Tönning sein musste. Irmgard wohnte auch in unserer Siedlung und hatte einen Sohn, Fiete, der war acht. Mit ihm haben die Zwillinge oft gespielt.
    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass an diesem Tag irgendetwas anders war als sonst. Es war alles okay. Total in Ordnung. Warum konnte es nicht einfach so bleiben, verdammte Scheiße?«
    Christines Stimme ist hoch und schrill, und ihr Gesicht ist unnatürlich rot.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragt der Psychiater beruhigend.
    »Ja. Ein Wasser.«
    Dr. Corsini steht auf, holt eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank des Besuchsraumes und schenkt ihr ein.
    »Danke.« Sie trinkt hastig, dann redet sie weiter.
    »Ich hatte an diesem Mittwoch sechs Stunden Unterricht und bin mittags gleich nach der Schule nach Hamburg gefahren. Karl und ich waren zum Abendessen eingeladen, ich wollte bei der Gelegenheit in der Stadt noch ein paar Einkäufe erledigen und zum Frisör gehen.
    Meine Mutter hatte versprochen, die Zwillinge von der Schule abzuholen und ihnen Mittagessen zu kochen. Es war alles geregelt, auf meine Mutter konnte ich mich hundertprozentig verlassen.
    Aber trotzdem. Es hört sich merkwürdig an, und vielleicht glauben Sie mir das jetzt nicht, aber als ich so gegen fünf Uhr beim Frisör saß, hatte ich plötzlich ein ganz blödes Gefühl. So eine diffuse Ahnung, dass irgendetwas nicht stimmte.
    Kennen Sie das? Da kommt einem ein Gedanke in den Kopf, und dann durchzuckt es den ganzen Körper. Es ist kein schlimmer, aber ein unangenehmer Schmerz. Ein Angststich.
    Und diese Stiche hatte ich. Mehrmals hintereinander, aber ich wusste nicht, warum.
    Ich ließ meine Haare färben und hatte das Mittel noch auf dem Kopf, darum konnte ich nicht sofort telefonieren. Erst als ich fertig war, hab ich zu Hause angerufen. Meine Mutter ging auch sofort ran und sagte, dass alles okay sei. Die Zwillinge seien drüben bei Irmgard und spielten mit Fiete.
    Gott sei Dank sind sie zu zweit, dachte ich, einer passt auf den anderen auf. Niemals passiert zwei Kindern gleichzeitig etwas.
    Ich hab mich daraufhin ein bisschen entspannt. Schließlich war nichts ungewöhnlich oder beunruhigend. Die Zwillinge waren gesund und spielten mit Fiete. Was sollte schon sein?
    Nach dem Frisör zog ich los, um für die beiden noch eine Winzigkeit zu kaufen. ›Hast du uns was mitgebracht?‹ war nämlich immer die erste Frage, wenn Karl und ich mal einen Tag nicht zu Hause gewesen waren.
    Und wenn es irgendwie möglich war, hatte ich auch wirklich immer eine Kleinigkeit dabei.
    Ich hab ihnen zwei Überraschungseier gekauft. Die liebten sie über alles. Sie hatten schon eine ganze Sammlung von kleinen Schlumpffiguren und tauschten untereinander. Das war das Einzige, bei dem jeder seinen eigenen Besitz heftig verteidigte. Alles andere teilten sie ja miteinander, es gehörte immer beiden zugleich.
    Aber diese beiden Überraschungseier haben sie nie bekommen.«
    Christine weint. Dr. Corsini wartet geduldig. Erst nach ein paar Minuten kann sie weitersprechen.
    »Der Dekan von Karls Fachbereich hatte uns an dem Abend eingeladen. Aber ich habe vergessen, wie er hieß. Der Name fing irgendwie mit ›K‹ an und hörte mit ›i‹ auf. Ich komm einfach nicht mehr drauf. Ist ja auch unwichtig, glaub ich.
    Jedenfalls waren wir um sieben Uhr da, die Frau des Dekans begrüßte uns richtig herzlich, dann gab es einen Aperitif, und wir redeten über dies und das. Worüber, weiß ich nicht mehr.
    Der Dekan war ein freundlicher Mann kurz vor der Pensionierung, der einfach nur beklatscht werden wollte. Darum lud er sich Gäste ein, und seine arme Frau musste stundenlang kochen. Jedenfalls belohnte er die, die bei dieser simplen Inszenierung mitspielten, manchmal mit Pöstchen und Einfluss. Er war der Garant für eine Karriere an der Uni, und Karl spielte mit, weil er der Meinung war, dass es ein Leichtes war, solch einen Abend durchzustehen, und

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