Bezaubernd
erfährst.“
„Dass ich was erfahre?“
„Das wird jetzt sicher schwer für dich, versuche, mir bis zum Schluss zuzuhören.Bitte.“
„Jetzt sag schon!“
„Mutter sagt, dass Eleanor, als ich gleich nach Virgiles Geburt unauffindbar war, beschlossen hat zu verschwinden. Sie wollte nicht, dass man sie sucht, also hat sie ihren Tod vorgetäuscht.“
„Gabriel, sie hat sich umgebracht, das weißt du! Ich war da! Sie hat mir das Versprechen abgenommen … Ich war bei ihrer Beerdigung!“
„Sie lebt, Silas! Ich weiß nicht, wie sie es angestellt hat, wer ihr geholfen hat, wo sie sich versteckt hat. Ich habe auch keine Ahnung, wie Mutter es geschafft hat, dieses Geheimnis so viele Jahre für sich zu behalten. Ich weiß nur, dass sie am Leben ist.“
„Das ist doch verrückt! Sie hat sich von mir verabschiedet. Sie hat mir Virgile anvertraut. Nein, nein, das ist einfach nicht möglich. Das glaube ich dir nicht.“
„Ich bin ihr seit Wochen auf der Spur. Ich habe einige glaubhafte Hinweise erhalten. Sieh mal! Sie hat in den vergangenen 13 Jahren mehrmals ihre Identität gewechselt, aber das ist eindeutig sie auf den Fotos!“
Gabriel nimmt einige unscharfe Kopien eines Führerscheins, eines Personalausweises und einiger anderer Dokumente aus seiner Brieftasche. Silas sieht sie verblüfft durch, ein endloser Strom von Tränen läuft über sein Gesicht zu seinem halb geöffneten Mund. Ich gehe auf die beiden zu, um selbst dieses fremde und gleichzeitig so seltsam vertraute Gesicht zu sehen. Meine Doppelgängerin, etwas älter, ein etwas markanteres Gesicht, unterschiedliche Haarschnitte und Haarfarben von platinblond über rot bis pechschwarz. Obwohl sie geschminkt ist und es gar nicht so aussieht, als handle es sich um ein und dieselbe Person, ist unsere Ähnlichkeit frappierend. Erschreckend. Ich wusste nichts von diesen Fotos, die mir das Herz zerreißen. Die Leidenschaft, mit der Gabriel von ihr spricht, ist unerträglich für mich. Das Funkeln in Silas' traurigem Blick ist widerlich. Das Leid in Camilles Gesicht macht mich unheimlich wütend.
„Raus! Raus, alle beide!“
Nun bin ich mit meiner Schwester alleine, die endlich meine Anwesenheit akzeptiert und sich in meine Arme wirft. Ich versuche, sie zu trösten, so gut ich kann, doch meine Worte können kaum etwas ausrichten angesichts dieser doppelt traumatischen Situation. Ich weiß nicht, wie sich Silas in Bezug auf Eleanor entscheiden wird, aber ich weiß, dass er Camille nicht einfach so stehen lassen wird. Trotz seiner rein egoistischen Reaktion liebt er sie, er hatte Zukunftspläne mit ihr und diese furchtbare Fehlgeburt scheint auch ihn arg mitzunehmen. Die Diamonds sind kompliziert, aber sie sind ehrenhaft. Vielleicht werden sie eines Tages aus Liebe heiraten. Vielleicht werden sie gemeinsam ein Kind bekommen, ein Kind der Liebe, dann, wenn sie beide bereit dazu sind und sich bewusst dafür entscheiden. Im Moment kann meine Schwester nicht über die Zukunft sprechen, das ist ganz klar, doch sie sagt, dass sie fast erleichtert ist, dass sie das Kind verloren hat. Ich glaube ihr kein Wort, ich weiß, dass sie sich nur schützen will. Sie bittet mich, sie alleine zu lassen und ihr einen Gefallen zu tun, für den ihr die Kraft fehlt: Ich soll Alex anrufen, ihm Bescheid sagen und ihn bitten, Oscar noch einige Tage länger zu behalten. Sie ist schon beinahe eingeschlafen, als ich das Zimmer auf Zehenspitzen verlasse.
Die Brüder stehen vor dem Kaffeeautomaten und sind so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht einmal bemerken, wie ich an ihnen vorbei auf den Parkplatz gehe. Ich nehme mir ein Taxi und fahre zu Marion und Tristan, den einzigen, bei denen ich um diese Zeit Unterschlupf finden kann. Ich schicke ihnen eine SMS, um meinen Besuch anzukündigen, und beide sind sofort für mich da und empfangen mich in unmöglichen Outfits, die mich unverzüglich zum Lachen bringen. Marion trägt ein dottergelbes Top und eine karierte Pyjamahose, die ihr um drei Nummern zu groß ist und sich über ihren enormen Kuhpantoffeln in Falten legt. Tristan hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, eine Hose über seine Superman-Shorts zu ziehen, schlüpft aber in ein T-Shirt mit einem Aufdruck von Chuck Norris, als ich das Wohnzimmer betrete.
„So ein Glück, dass gleich zwei Superhelden auf uns aufpassen“, neckt Marion ihren Bruder und gibt mir einen lauten Schmatzer auf die Wange.
„Muuuuuuh!“, macht Tristan in ihre Richtung. „Ich mache jetzt
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