1600 - Willkommen im Hades
Franz Eichler dachte auch an die Proteste, die es gegeben hatte, aber mit Unterstützung des Staates und der Gemeinde hatte man sich schließlich durchsetzen können.
Und der Sprengmeister hatte noch etwas getan. Er hatte seine Tochter Anna mitgenommen. Das war zwar nicht ganz legal, in diesem Fall allerdings schon zu vertreten, denn man konnte Anna berufliche Gründe nachsagen. Sie war eine hervorragende Fotografin und in Fachkreisen sehr bekannt.
Anna hatte einen Blick für Motive, und das hatte sie auch hier bewiesen.
Noch vor einer Stunde hatte sie die Fotos geschossen, auf denen dann zu sehen war, wie die Gegend vor der Sprengung ausgesehen hatte.
Später würde sie auch ihre Fotos schießen, sodass beides der Nachwelt hinterlassen werden konnte.
Vater und Tochter hatten sich die entsprechende Deckung gesucht. Sie duckten sich nahe der Baubude hinter einigen Fässern. Vor ihrem Vater stand ein grauer Kasten, der aussah wie eine übergroße Autobatterie, und Anna starrte ihn wie hypnotisiert an.
In wenigen Sekunden würde ihr Vater den Kontakt auslösen. Auch für ihn war es eine besondere Sprengung, das sah Anna seinem Gesicht an, in dem die Anspannung wie eingemeißelt stand.
Das letzte Signal war verklungen.
Jeder Mitarbeiter wartete auf den Ablauf des Countdowns.
Dann war es so weit!
Franz Eichler tat seine Pflicht. Nahezu andächtig drückte er auf den roten Knopf - und zuckte leicht zusammen, als er seinen Finger wieder zurücknahm.
Dann ging die Welt unter. Jeder, der in Deckung hockte, konnte dieses Gefühl haben.
Die Explosionen erfolgten fast in der gleichen Sekunde. Die Natur wurde von einem Feind angegriffen, den sie in all den Millionen Jahren noch nicht gekannt hatte. Die brutalen Kräfte rissen all das auseinander, was bisher zusammengehalten worden war.
Es wurden keine Steine in die Höhe geschleudert, die Ladungen waren so angelegt, dass ein Teil des Berges in sich zusammenbrechen konnte, aber trotzdem etwas freilegte.
Der Krach und das Donnern schien die nahen Berge in der Umgebung zerstören zu wollen. Man konnte das Gefühl bekommen, dass der Himmel einstürzte.
Anna und ihr Vater schauten sich an.
Die Fotografin war wie erstarrt. Obwohl ihr keine Gefahr drohte, hatten sich ihre Augen geweitet. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt.
Zum Herd der Explosionen konnte sie nicht schauen, weil ihr durch die Baubuden die Sicht genommen wurde, aber jeder sah die gewaltige Wolke aus Staub und Dreck, die in die Höhe stieg.
Als hätte der Teufel mit seiner Pranke auf den Boden geschlagen und ein Loch hinterlassen, aus dem diese Wolke ins Freie stieg. Es waren immense Mengen an Staub, die so hoch stiegen, dass sie das blasse Winterlicht der Sonne verdunkelten.
Anna sah, dass sich die Gesichtszüge ihres Vaters entspannten.
Plötzlich lächelte er, und in diesem Moment wusste sie, dass alles gut gegangen war.
Er sagte auch etwas. Sie konnte es wegen der Ohrenschützer nicht verstehen. Deshalb nahm sie den Schutz ab, und Franz Eichler wiederholte seine Worte.
»Es war mein Meisterstück.« Seine Augen glänzten und dann auch die seiner Tochter.
»Ja, Vater, du hast recht. Das war nicht nur super, das war sogar einmalig.«
In ihre Worte hinein erklang das Signal, dass die Sprengung vorbei und glücklich verlaufen war.
Die Männer blieben noch in ihren Deckungen. Es konnte noch immer etwas herabstürzen. Niemand wollte Gefahr laufen, von irgendwelchen Gesteinsbrocken getroffen zu werden. Deshalb hielt man sich zurück.
Franz Eichler nahm nun auch die Ohrenschützer ab. Sie lächelten sich zu, sie hörten aber auch die Nachwehen der Sprengung, denn an verschiedenen Stellen hatten sich Steine gelöst und rollten Abhänge hinab.
Die Staubwolke breitete sich aus. Man konnte den Eindruck haben, dass sie alles fraß, was sich in ihrer Nähe aufhielt, denn es war nichts mehr zu sehen in Richtung Norden.
Es würde auch noch dauern, bis die Männer das sahen, was die Sprengung freigelegt hatte. Jedenfalls würde sich die Baufirma freuen, denn jetzt konnte die neue Straße weitergeführt werden, ohne dass es noch ein großes Hindernis gab. Man konnte auf Tunnels verzichten, die sehr kostspielig waren, und auch die Protestler würden irgendwann zufrieden sein.
Franz Eichler hatte seine Pflicht getan und erneut bewiesen, wie gut er in seinem Job war. Es gab trotzdem noch genug zu tun, und das hing mit der Überprüfung zusammen.
Sein Funkgerät meldete sich.
Es war sein Vertreter, der ihn
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