Bianca Exklusiv Band 0226
die Gläser sorgfältig mit dem Saum seines Hemdes und setzte sie wieder auf. Nicht weil die Gläser schmutzig waren, sondern weil ihm diese Geste Zeit verschaffte, seine Gedanken zu sammeln. Als er wieder zu sprechen anhob, war seine Stimme ohne jede Emotion. „Wenn man sich vorstellt, wie verwirrend die letzten Wochen für das Kind waren. Die verrückte Kleidung, die du für sie gekauft hast. Die Sache mit den Ohrlöchern. Du machst Pläne für das Erntedankfest, ohne sie mit mir zu besprechen. Und nun der Vorfall mit dem Schulbus. In letzter Zeit war sie öfter nicht zu Hause und ich habe sie wegen unserer Verabredungen vernachlässigt. Mir ist jetzt klar, dass es nicht gut ist, wenn eine andere Person an unserem Leben teilnimmt.“
Allison machte sich nicht die Mühe, den Mantel überzuziehen. Mit einer heftigen Bewegung zog sie die Tür auf, die nur angelehnt gewesen war. Zu gern hätte sie ein brillantes Schlusswort angebracht, ein Wort der Weisheit, dass er nie würde vergessen können, doch ihr Kopf war leer. Alles, was sie herausbringen konnte, war: „Wiedersehen, Justin. Ich werde nicht mehr in deine vollkommene kleine Familie einbrechen.“
Ihr war es gleichgültig, von wem sie gesehen wurde, als sie zu ihrem Wagen lief. Sie musste nur so schnell wie möglich fort, bevor er sah, wie tief er sie verletzt hatte. In wenigen Augenblicken war ihre ganze Welt eingestürzt. Ihre Hoffnungen, ihre Träume, alles dahin. Sie war wie ein verwundetes Tier, das nur in seinen Bau zurück wollte. Dort, in ihrem Haus, würde sie in Sicherheit sein. Dort konnte sie weinen, sich im Dunkeln verstecken und ihre Wunden lecken.
In ihrer Eile sah sie nicht das Kind, das an der Hecke von Immergrün nahe der Haustür hockte, und so sah sie auch nicht die Tränen, die dem kleinen Mädchen über die Wangen liefen. Tränen, die der Ausdruck von Schmerz und Enttäuschung waren sowie der Erkenntnis, dass nichts im Leben vollkommen ist, ganz gleich, wie sehr man sich darum bemüht.
An jenem Abend nahm Allison sich vor, nicht ans Telefon zu gehen, wenn es klingelte. Sie wollte für ein paar Tage hart bleiben, auch wenn Justin den Versuch machte, sich zu entschuldigen. Erst einmal wollte sie sich beruhigen, bevor sie ihm sagte, wie sehr er sie verletzt hatte.
Doch als sie ein paar Stunden später im Bett lag und die Tränen ihr immer noch über die Wangen rannen, riss sie gleich nach dem ersten Läuten den Telefonhörer hoch. „Hallo?“, hauchte sie.
„Allison?“
Sie war so sicher gewesen, es sei Justin, dass sie die Stimme nicht sogleich erkannte. „Ja.“
„Ich bin’s, Angela.“
„Oh, hallo, Angela.“ Allison warf ein durchnässtes Taschentuch fort und zog ein frisches aus der Schachtel.
„Bist du erkältet? Du klingst du verschnupft.“
Allison erwog zu lügen, doch sie und ihre Schwägerin waren, besonders nach Craigs Tod, enge Freundinnen geworden. Als Angela vor etwas mehr als einem Jahr Jeff Hawkins geheiratet hatte und nach Colorado gezogen war, hatte Allison geglaubt, sie würden den Kontakt verlieren. Doch das Schicksal hatte es anders bestimmt, und auch Allison war nach Colorado gezogen. Allerdings hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, dass sie einander besuchten. Jeffs Ranch lag auf der anderen Seite der Berge, und die Fahrt über die Pässe und die kurvenreichen Highways dauerte mehrere Stunden.
Weil sie immer aufrichtig zueinander gewesen waren, fühlte Allison sich genötigt, Angela die Wahrheit zu sagen.
„Ich habe mich verliebt.“
„Wunderbar“, rief Angela aus.
„So wunderbar ist das nicht. Es ist vorbei. Heute hat er mir gesagt, dass er und seine Tochter niemanden brauchen.“
„Oh, gut.“
„Gut?“
„Na, gut ist es nicht, dass der Kerl sein Glück nicht erkennt. Gut nur, weil du wahrscheinlich zum Erntedankfest nichts vorhast.“
An das Erntedankfest hatte Allison gar nicht mehr gedacht. Jetzt würde sie natürlich nicht zu Justins Eltern gehen. Aber zu Hause sitzen wollte sie auch nicht.
„Hoffentlich bist du nicht mit deinen Eltern verabredet. Jeff und ich würden uns sehr freuen, wenn du über die Feiertage zu uns kommst.“
Allison zögerte. Sie wollte anderen nicht als Trauerkloß, der sie war, das Fest verderben. „Ich weiß nicht, ob ich im Moment eine so angenehme Gesellschaft bin“, sagte sie.
„Das Beste, was du machen kannst, raus aus der Stadt und etwas ganz anderes tun. Außerdem musst du unbedingt Randy kennenlernen. Er wächst so schnell.“
Angela und
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