Biker's Barbecue (German Edition)
fünf Minuten nach mir stinkwütend den Bus erreicht (ich dachte schon, er hat sich im Bahnhof verlaufen), muss ich erst lachen – typisch Stefan –, dann ärgere ich mich laut darüber, dass unser teurer Schlaftrunk jetzt auf der Rolltreppe spazieren fährt. Stefan wird daraufhin ein bisschen aggressiv – aus seiner Sicht verständlich.
Zerknirscht überreiche ich dem Busfahrer meine durchtränkte Fahrkarte.
Als der chromfarbene Greyhound laut dröhnend im „Port Authority“-Tunnel anfährt, wird mir mit einem Schlag klar, dass das Abenteuer in diesem Augenblick begonnen hat.
Während wir Manhattan in nördlicher Richtung durch Harlem verlassen, verbietet der Chauffeur über die Lautsprecheranlage das Rauchen und Trinken während der Fahrt und weist die anderen Passagiere mit unüberhörbarem Vergnügen auf das süßlich-malzige Sour-Mash-Aroma hin, das sich inzwischen bis in den letzten Winkel des Busses ausgebreitet hat. („… hat er hoch und heilig versprochen, dass das alles von seiner Kleidung kommt und dass er keinen Tropfen davon getrunken hat!“ – Der ganze Bus schaut amüsiert in unsere Richtung.)
Bourbon ist ansteckend: Vom Regenschutz aufs T-Shirt, von den Socken auf die Schuhe. An diese Nacht werde ich noch lange denken. Wenigstens kann ich jetzt nicht mehr verloren gehen: Der instinktloseste Straßenköter Nordamerikas würde mich jetzt sogar beim Ausatmen mit verstopfter Nase riechen können.
Wenig später schlafe ich ein (es ist fast drei Uhr früh). Kurze Momente leichten Wegdösens bringen Schlaglichter der Umgebung: Die Suburbs von New York, der Highway mit seinen schlachtschiffartigen Karossen, die ersten zünftigen Trucks, die Vier-Uhr-Rast, kalte Drive-In-Hamburger im orangen Natronlicht der Parkplatzlampen und schales Dr. Pepper. Dann eine blasse aufgehende Sonne und schließlich eine sich im Zeitraffertempo verdichtende Wolkendecke.
Eine halbe Stunde vor Boston beginnt es zu regnen. Es ist 6.30 Uhr. In drei Stunden wollen wir im Radgeschäft sein, unsere Räder holen und losfahren.
Aber es wird sowieso alles anders kommen.
In der Terminal-Toilette von Boston widme ich eine halbe Stunde dem Versuch, meine Sachen vom Bourbon-Duft zu befreien. Dann gebe ich auf. Durch strömenden Regen kämpfen wir uns in die neue Ankunftshalle. Eigenartig, dass in meinen Tagträumen vom Radfahren in Amerika nie Regen vorkam.
In der Ankunftshalle strömt Bostons morgendliche Rushhour-Armee von den Pendlerzügen auf uns ein. Wir kämpfen uns durch Strom und Gegenstrom bis zu einem Steh-Café und versuchen bei Croissants und Kuchen, in dieser desillusionierenden Umgebung unser nicht einmal zwölf Stunden altes Heldenepos über Wasser zu halten.
Wie zwei Sandler (Stefan stinkt, ich trage den Pappkarton) lassen wir uns zur U-Bahn-Station treiben und steigen in den Zug Richtung Radgeschäft.
Kommt Zeit, kommt Rad
Nie wieder werden wir so sehr daran zweifeln, dieses Abenteuer zu Ende bringen zu können. Nicht so sehr wie an jenen grauen Tagen in Boston.
Als wir zu Geschäftsbeginn den Laden von „International Bicycles“ betreten, schaut man uns zunächst an wie zwei nach Whiskey stinkende Mondkälber. „Räder? Für wen?“ Aber dann findet man sie doch, die „Bikes for the Austrians“. Sie sind sogar schon seit gestern früh da, teilt man uns freudig erregt mit. Wir sind ebenfalls freudig erregt.
Zuversichtlich, mit neuem Selbstvertrauen reißen wir die Kartons auf. Jetzt wird ja doch noch alles gut. Es hat sogar aufgehört zu regnen. Noch erkennen wir die fatale Tragweite dieses Augenblicks nicht, obwohl ein Hauch davon schon in der Luft liegt: Die Räder müssen erst zusammengebaut werden. Im Geschäft hat keiner Zeit. Zumindest jetzt nicht. Vielleicht später mal. Wir fangen an, selber daran herumzuschrauben. Als wir ganz unten in der Kiste Plastikpedale entdecken, hören wir wieder auf. Draußen regnet es inzwischen wieder.
Wir rufen bei „Trek“ in Wisconsin an und machen mit falscher Bestimmtheit und echter Verzweiflung klar, dass dies hier nicht die richtigen Räder sein können. Damit werden wir bei starkem Rückenwind vielleicht bis zu den Niagarafällen kommen. Aber bis San Francisco schaffen es die Dinger höchstens in der Holzkiste zusammen mit uns. Die Radfirma entschuldigt sich und tut immerhin so, als ob sie wirklich aus Versehen die falschen Räder geliefert hätte. Das beruhigt ein wenig. Die Räder, die man uns versprochen hat, wären leider nicht auf Lager
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