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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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Straße nebst den umgebenden Straßen beträchtlich gewachsen; es waren just keine schönen Häuser, die man allhier erbaute, als alles umher noch plattes Land war; sie haben etwas vom märkischen Bauernhause, das mit dem behäbigen der gesegneteren deutschen Landstriche sich nicht messen kann, und nicht wenige von ihnen, in ihrem gegenwärtigen verwitterten Zustand und Verfall, sind noch schlimmer – Reste der Vergangenheit, denen man noch vielfach in Berlin begegnet, deren Fortexistenz man aber um so weniger begreift, als der Grund und Boden, den sie einnehmen, inzwischen so beträchtlich mehr wert geworden sein muß als die Gebäude selbst. Nichts kann unwohnlicher und weniger einladend sein als die langgestreckten Lehmhäuser dieser Art, die denWanderer, bis in den Tiergarten hinein, daran erinnern, daß Berlin nicht immer die Stadt der Paläste gewesen, als die es uns heute erscheint. Niedrig, finster, mit nur einem Stock oder vielmehr Erdgeschoß, mit vergitterten Fenstern, mit halb zugemauerten Fenstern, manchmal mit gar keinen Fenstern, sondern viereckigen Löchern, wie in einem Stall, stehen sie da, mit einer Miene von Trotz und Unabhängigkeit, zwischen den neueren Häusern, welche sie zu verdrängen keine Macht haben. Ob heute noch Leute darin wohnen? Ich glaube ja; und mehr als das: an einem derselben in dieser Gegend zum Beispiel habe ich ein Schild mit der Inschrift gesehen: »Salon für kleine und große Gesellschaften«. An einem andern, hinter dem übrigens sich ein weiter Hof befand, las ich: »Elegante Brautwagen, Chaisen zu Festlichkeiten«. Das muß ein fideles Volk sein in diesen miserablen Spelunken, die man hier in den Haupt- und Nebenstraßen noch überall erblickt.
    Deutlicher, weniger fragmentarisch als in den meisten anderen Straßen Berlins meine ich in den einzelnen noch unterscheidbaren Stücken dieser Landsberger Straße, wie sie sich im Verlaufe von fast anderthalbhundert Jahren aneinandergefügt haben, den Fortschritt der Bauweise zu erkennen, von jenem Hause der äußersten Armseligkeit angefangen, aus welchem ehemals ganze Straßen bestanden, das sich aber jetzt nur noch in einzelnen Exemplaren erhalten hat. Von den Zwangsbauten Friedrich Wilhelms I., der, wie man weiß, »den Häuserbau gar sehr poussieret«, ist hier freilich nichts zu bemerken, weder im nüchtern bürgerlichen noch im Prunkstil; denn dieser König dehnte seine Spaziergänge, deren jeder seine getreuen Untertanen ein Haus kostete, nicht so weit aus, sondern beschränkte sich auf die Friedrichstadt. Dagegen erblickt man hier manch ein hübsches Muster des dezenten Wohnhauses aus der späterenfriderizianischen Zeit, das sich heute noch zwischen seinen Nachbarn ganz freundlich ausnimmt und, ein- oder zweistöckig, mit seinem bescheidenen Zierat von Blumen und Figuren in Stuck an den Wänden lange das typische geblieben zu sein scheint, bis das doppelt so umfangreiche der Regierungen Friedrich Wilhelms III. und IV. mit seinen drei Stockwerken erscheint und dort endlich, wo die Landsberger Straße sich breit und prächtig gegen die Friedenstraße öffnet, die mächtigen Gebäudekomplexe aufragen, welche charakteristisch für Berlins jüngste Entwicklung sind. –
    In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war die Landsberger Straße schon bis zur Gollnowstraße vorgerückt. Darüber hinaus waren Gärten und Weinberge. Was die Gärten betrifft, so sind sie langsam erst in neuerer Zeit unter dem vordringenden Häuserbau verschwunden. Hier herum, in dieser damals ganz ländlichen Gegend, hatten vor hundert Jahren viele Berliner ihre Sommerwohnungen. Nicht weit von hier, nach dem Frankfurter Tore hin, in dem, was zu Ende des vorigen Jahrhunderts die Lehmgasse war und heute die Blumenstraße heißt; hatte Lessings Freund, Friedrich Nicolai, sein Landhaus, welches der Enkel des trefflichen Alten in seinen »Jugenderinnerungen« so reizend und pietätvoll beschreibt. Die Blumenstraße erhielt ihren gegenwärtigen Namen nach den vielen Gärtnereien, die zu beiden Seiten hinter sehr primitiven Gartenzäunen in kleinen, bescheidenen Häusern angelegt waren; und noch in den zwanziger Jahren war es hier so still und einsam, daß man nach Sonnenuntergang kaum einen Menschen zwischen den dunkelen Hecken mehr antraf. Das holperige Steinpflaster und das Öllampenlicht reichten nur bis an den Grünen Weg – »der sternenklare Himmel glänzte über den stillen Gartenbäumen, und der Geruch derBouchéschen Hyazinthenbeete wallte durch die

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