Die Comtessa
Aufruhr in Narbona
Oktober,
Anno Domini
1142
N ach dreitägiger Reise näherten sich zwei Reiter der alten Stadt Narbona. Es waren junge Männer, noch ungezeichnet vom Leben. Neugierig und voller Tatendrang waren sie gekommen, das Abenteuer zu finden.
Arnaut ritt einen Wallach und führte sein Schlachtross, einen lebhaften Hengst, an einem Seil. Auf einer langbeinigen Stute folgte Severin, sein Schildträger, der ein Packtier hinter sich herzog. Sie waren hungrig und sattelmüde, doch beim Anblick der fernen Wehrtürme und Kirchen füllten sich ihre Herzen mit erwartungsvollem Hochgefühl, und so gaben sie den Tieren noch einmal die Sporen.
Der Weg führte durch wohlbestellte Felder und bewässerte Gärten, wo Bauern sich mühten, Herbstgemüse und das letzte Obst zu ernten, denn die Ebene vor den Mauern war Narbonas Speisekammer.
Am Stadttor verstellte ihnen ein mürrischer Wachposten den Weg. Eine Speerspitze funkelte gefährlich nahe vor Arnauts Brust.
»Stehen geblieben, Knappe!«
Der Wallach scheute und tänzelte erschrocken zur Seite, so dass Arnaut sich am Sattelknauf festhalten musste. Hatte der Mann ihn Knappe genannt? Das war eine Beleidigung, auch wenn sie beide erst achtzehn Jahre zählten. Unbewusst fuhr seine Hand an den Schwertgriff. Doch sofort trat der Wachmann näher. Fast schon berührte die Speerspitze Arnauts Kettenpanzer.
»Ganz ruhig, Jungs! Keine Waffen und runter von den Gäulen! Hände, wo ich sie sehen kann.«
Mit dem Speerschaft fest in den Fäusten funkelte der Kerl ihn angriffslustig an. Auch wenn sein Bart grau war, sah er doch wie ein fähiger Fußsoldat aus, ein
pezo,
wie sie spöttisch im Volksmund hießen.
Als jetzt zwei weitere Söldner hinzutraten, bezwang Arnaut seinen Unmut und hob beruhigend die Hände. Sinnlos, mit der Torwache zu streiten.
Die Speerwimpel der
pezos
trugen nicht das Wappen der Stadt, sondern die goldenen Umrisse eines zwölfeckigen Kreuzes auf rotem Grund, das Wappen von Tolosa. Aber es war allgemein bekannt, dass seit drei Jahren Graf Alfons Jordan über das Schicksal von Narbona bestimmte.
Langsam stieg Arnaut vom Pferd. »Begrüßt man so einen Edelmann, der die Stadt besucht?«, fragte er in herablassendem Ton.
»Nichts für ungut,
Cavalier
«, hörte er eine Stimme hinter sich. »Die Männer tun nur ihre Pflicht.«
Die Sonne stand schon tief, und Arnaut musste die Augen mit der Hand abschirmen, um den Mann, der sich nun näherte, besser sehen zu können. Unverkennbar ein Ritter von adeliger Geburt, obwohl nicht viel älter als sie selbst. Er war gut, wenn auch etwas nachlässig gekleidet, Schwert an der Seite, auf dessen Knauf er eine Hand stützte. Mit einer flüchtigen Kopfbewegung bedeutete er den Wachen, sich zurückzuziehen.
»In letzter Zeit treibt sich hier viel Lumpenpack herum«, sagte er.
»Wir trafen eine Menge Pilgersleute.«
Der Ritter nickte. »Die meisten sind nach Compostela unterwegs. Hier verweilen sie, um am Schrein von Sant Paul zu beten. Leider versteckt sich oft Gesindel darunter. Deshalb überprüfen wir alle Fremden an den Toren.«
»Ich bin Arnaut de Montalban.« Er deutete auf Severin. »Und mich begleitet mein Schildträger. Wir stammen aus der Corbieras, und meine Familie sind Lehnsleute der Grafen von Tolosa.«
Sein Gegenüber warf einen forschenden Blick über Ausrüstung und Pferde. Er trat an Arnauts prächtigen Hengst heran.
»Großartiger Bursche. Abgerichtet für die Schlacht?«
»Natürlich«, erwiderte Arnaut nicht ohne Stolz. »Wir haben eine Zucht. Araberblut. Mein Großvater selbst hat die ersten Tiere aus dem Heiligen Land mitgebracht.«
»Araber? Ja, man sieht es.« Er strich dem Pferd anerkennend über den Hals, zog aber schnell die Hand zurück, als der Hengst die Ohren zurücklegte, den Kopf hochriss und warnend die Zähne bleckte.
»Ho ho! Lässt wohl nicht mit sich spaßen, was?« Er zog sich einen Schritt zurück.
»Er mag keine Fremden.«
»Solange er mir nicht die Finger abbeißt«, lachte der Mann. Prüfend betrachtete er das mit Lanzen und Satteltaschen beladene Maultier.
»Irgendwelche Handelswaren?«
»Sehen wir aus wie Kaufleute?«
»Nein, das gerade nicht. Und Ihr seid gut gerüstet, wie ich sehe. Was wollt Ihr in Narbona?«
»Ich hatte gehofft,
Coms
Alfons meine Dienste anzubieten.«
»Soso! Ein junger Heißsporn vom Lande, was?«
Sein entspanntes, selbstsicheres Auftreten beeindruckte Arnaut. Neben ihm kam er sich wie ein Bauerntölpel vor. Dass er selbst andere durch
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