Bilder Aus Dem Berliner Leben
wandert man den Fluß entlang, über welchem majestätisch der eiserne Trajekt der Stadtbahn sich spannt; unten gehen Kähne, von hart arbeitenden Männern an Stangen mühsam fortgeschoben, oben gleitet, leicht und graziös, in kühn geschwungener Linie, Zug um Zug dahin, mit der Dampfwolke hinter sich. Bretterzäune, Baugründe mit Schutthaufen, Lagerplätze mit Balken – sind es Reste von alten Häusern oder Anfänge von neuen? Sanft, am Ende des Weidendammes, senkt der Abhang, auf welchem noch ein paar Weiden stehen, sich zum ruhig fließenden Wasser, und drüben, am Schiffbauerdamm, noch immer die Gegend der Segelmacher und sogenannten »Hamburger Läden«, liegen ein paar Schiffe. Man würde sich nicht wundern, wenn einem, in Federhut und Pluderhosen, der alte Schiffskapitän begegnete, der hier zu des Großen Kurfürsten Zeit vor Anker gegangen ist. Noch nicken über einer Mauer die Bäume seines Gartens – uralte Bäume jetzt, mit hohen Wipfeln und dichten Kronen, im letzten der Gärten, der hier geblieben: dem der Loge Royal York. Hinter demselben, in einem geschützten Winkel, wie verlorene Gestalten der dahingegangenen Zeit, sitzen ein paar Marktweiber, auch sie vielleicht die letzten ihres Stammes. Denn nun, sobald man um diese Ecke biegt, verwandelt sich wie durch einen Zauberschlag das Bild – aus einem Gewirr von Häusern und Kähnen und Schornsteinen erhebt sichfern im Dufte des Mittags eine steinerne Masse, die mächtig zwischen dem feinen Gitterwerk des Gerüstes emporwächst: das neue Reichstagsgebäude, von der krönenden Viktoria der Siegessäule goldschimmernd überragt; und hier, dicht vor uns, öffnet sich ein hohes Portal, das Tor einer unserer Markthallen. Gar lieblich und herzstärkend vermischen sich die kräftigen Gerüche von allerlei Grünem mit denen der Blumen, des frischen Obstes und vieler anderen guten Dinge sowohl des festen Landes als der See. Unter den luftigen Wölbungen mit all den Herrlichkeiten, aufgehäuft zu beiden Seiten der Halle, geht der Blick vom Ufer der Spree hinaus durch die Schadowstraße bis zu den Alleen und Palästen der Linden, welche das unvergleichlich schöne, vom Leben des Tages erfüllte Panorama schließen; und nicht der Große Kurfürst selber, noch sein Enkel, der biedere Friedrich Wilhelm, dürften uns tadeln, wenn wir, mit aller Reverenz für ihre Zeit, hier ein Wort auch zum Lobe der unseren sagen wollten.
Weitere Kostenlose Bücher