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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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statten.
    Obgleich älter als ich, gab sie sich doch oft auch meinen Zerstreuungen hin, und ich erinnere mich noch jetzt oft mit Vergnügen der Stunden, wo wir mit Stroharbeiten beschäftigt, mit welchen wir die Eltern überraschen wollten, auf dem Heu der nahen Tenne verborgen saßen. Aber auch an meinem Unterrichte in der Geographie, der Geschichte usw. nahm sie teil, und wir lasen manches Buch Geschichten und Lieder mit einander. Ich erinnere mich oft eines Spieles, das wir damals häufig trieben, und das, wäre ich intellektueller gewesen, mich zur Erfindung der Dampfwagen hätte bringen können. So oft nämlich meine Schwester morgens die Kaffeetassen in heißem Wasser reinigte, kehrte ich sie, so lange sie noch innen vom Wasser dampften, schnell auf den glatten Tisch um, und da spazierten sie, vom Dampfe innen getrieben, von selbst den Tisch entlang, was ich sie oft, auch zum Vergnügen meiner Schwester, wiederholen ließ. Die Dampfwagen in meinen späteren Jahren brachten mir dieses Spiel wieder in Erinnerung.
     
Der Kutscher Matthias
     
    Nebst den Pferden, Kühen und Gärten hatte mein Vater von seinem Vorfahren im Amte auch einen alten Kutscher übernommen, der Matthias hieß und von komischem Wesen war. Er war wie der Polichinell im Marionettenspiele, wie ein Hofnarr, dem man seine auch oft derben Späße nicht übel nahm. Als einmal ein großes Gastessen im Hause war, entfiel ihm vor der Tür die volle Suppenschüssel. Er ließ sich aber dadurch nicht aus der Fassung bringen, öffnete die Tür und sagte zu den Versammelten: »Meine Herrschaften, die Suppe wurde hier außen angerichtet, nehmen Sie die Löffel mit!«
    Wir hatten ein naives junges Bauernmädchen von der Alb in Diensten; an dieser übte der Alte oft seine komischen Launen. Er hatte von der vorigen Herrschaft einen Guéridon aufgegabelt, der einen Mohren mit einer Krone auf dem Kopfe vorstellte. Diesen legte er einmal in ein weißes Hemde gekleidet dem Mädchen, ehe es in die Kammer kam, ins Bett, worauf es mit einem entsetzlichen Geschrei: »Der Teufel! der Teufel! der Teufel ist in meinem Bett!« die Treppe herab sprang und das ganze Haus in Alarm versetzte und aus den Betten brachte.
    Einmal kutschierte er meine Mutter und die Frau des Prälaten mit dem Rappen auf einer Wiese, auf der viele Schlüsselblumen sproßten. Da fing er auf einmal mit matter Stimme zu sagen an: »Mir wird's grün und gelb vor den Augen«, so daß die Frauen, welche glaubten, es befalle ihn eine Ohnmacht, einen Vorübergehenden um Hülfe riefen und ihn baten das Leitseil zu fassen, ehe ihr Kutscher herunterfalle. Er aber lachte ihrer Angst, ihm sei es ganz wohl, aber wie ihnen gewiß auch hier grün und gelb vor den Augen.
    Außer dem Humor eines Lustigmachers und der Kunst eines guten Pferdelenkers hatte aber der alte Matthias noch eine gute Eigenschaft, er war ein vortrefflicher Jäger, was in dieser Gegend, so reich an wildem Geflügel, sehr erwünscht war. Mit wilden Enten, Wasserhühnern, Schnepfen usw. versorgte er gar oft und reichlich unsere Küche.
    Marder und Iltisse gab es in den alten Gängen und Mauern des Klosters in Menge; auch diese wußte er geschickt zu fangen und sich ihres Pelzes zu bemeistern. Weniger ließ er sich zum Fangen unedler Tiere, namentlich der Ratten, bewegen, und ich weiß Mondscheinnächte, wo man diese Tiere aus einem Kellerloche des Oberamteigebäudes in einer langen schwarzen Prozession, eine hinter der andern, über die Straße zu den benachbarten Brunnen, dort zu saufen, langsam ziehen sah. Matthias hatte vor solchen einen wahren Respekt, er wollte nie gegen sie zu Felde ziehen oder Fallen stellen, und gab zu verstehen, hinter ihnen könnte doch der Teufel stecken, sie seien noch von den alten Klosterzeiten her und könnten gar verwünschte Mönche sein. Mir gab der komische Gesell viele Veranlassung zur Hintanstellung der Bücher durch Verlockungen zu Spazierritten, zum Laufen an die Seen, und durch Herbeischaffung von Vögeln aller Art, von Hunden, Rehen, Kaninchen, Eichhörnchen, Eidechsen, lebendigen Ottern und Schlangen.
     
Die Klostermauer und ihre Ameisenlöwen
     
    Das Oberamteigebäude stand an der Klostermauer und war hinten, durch ein vom zweiten Stock heraus über den Zwinger laufendes Zugbrückchen mit dem nahen Berge in Verbindung gesetzt. So war man sogleich im Freien; die Klostermauer aber, die ein bedecktes Dach hatte, lief wie der Zwinger rings um alle Klostergebäude herum, so daß man auf ihr trockenen

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