Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
bedeckte eine schwarze Pattenweste. Auf dem Kopfe hatte er einen kleinen spitzigen dreieckigen Hut und in der Hand einen braunlackierten Stock.
Eines der Pferde meines Vaters hatte die Eigenheit, daß es das Rauschen von Papier nicht leiden konnte. Als ich nun einsmals mit dem Professor solch einen Ritt machte, begegnete uns der Ortsbote. Diesem forderte der Professor die Zeitungen ab, um sie gemächlich auf dem Pferde zu lesen; aber kaum hatte er sie entfaltet und das Pferd das Rauschen des Papiers vernommen, so kehrte es in vollem Laufe um. Der Professor klemmte seine kurzen Füße wie Krebsscheren in den Gaul ein, es entfielen ihm Hut und Stock, er hielt sich mit den Händen am Sattelknopfe und schrie mit verzweifelter Stimme: »Holet den Gaul ein!« Das Pferd rannte mit ihm durch das Tor, das meinige mit mir hinten nach über den Klosterplatz dem Oberamtei-Hofe zu. Man glaubte, es kommen Feuerreiter angesprengt, alles sah aus den Fenstern und sprang herbei, doch ging die Kavalkade noch glücklich vorüber. Das Pferd hielt, vor dem Stalle angekommen, auf einmal stille. Der Professor hatte sich noch konvulsivisch auf demselben erhalten, wurde aber totenbleich und fast besinnungslos von demselben herabgenommen und in unsere Wohnung gebracht. Er wußte lange nicht, wo er war, und sprach von Elias und seinem feurigen Wagen, auf dem er gefahren, ganz in der Irre. Seine Ehehälfte,
Therese,
die auch herbeigesprungen war, suchte ihn durch kalte Umschläge im Lehnsessel meines Vaters zurecht zu bringen. Er sprach aber immer von Elias, und daß er seinen Mantel verloren. »Sie haben keinen Mantel angehabt und keinen verloren«, beschwichtigte ihn die Frau, »und Sie fuhren auch auf keinem Wagen, sondern ritten auf dem Rappen, der mit Ihnen durchgegangen, und ein Professor sollte eben nicht reiten.« – »Wie? ich ritt?« sagte er – »ja, ja, ich besinne mich, auf dem Rappen, es ist mir ganz schwarz vor den Augen; vorher war es mir wie Feuer. Sie haben Recht, Therese, ich werde nicht wieder reiten, ich will lieber zu Fuße gehen.« »Aber nicht bei schmutzigem Boden«, fiel Therese ein, »weil Sie Ihre Schuhe nie vor dem Zimmer ausziehen wollen.« Die kalten Umschläge und ein Aderlaß, die man dem Professor zu Hause applizierte, heilten ihn bald völlig von Erschütterung und Schrecken; aber auf den Rappen kam er von da an nicht mehr.
Basen und Schwestern
Außer einem Sohne hatten diese von einander so verschiedenen Eheleute noch zwei Töchter, von denen die jüngere nahe meinem Alter war. Sie hatte die Sanftmut und Ordnungsliebe der Mutter, ein rundes niedliches Gesichtchen, und ein ganz schwarzes und ein ganz blaues Auge. Mit ihrem Bruder und meinen Schwestern, die aber älter als sie waren, waren diese Mädchen oft meine Unterhaltung und Begleitung in den Gärten und auf den Spaziergängen. Meine älteste Schwester
Ludovike
war sehr lebendig und reizbar. Ihre Gesichtszüge waren regelmäßig und schön, und es verglichen sie schon in Ludwigsburg Emigranten und auch einmal der Herzog
Ludwig
mit der unglücklichen Königin Marie Antoinette. Ihr Gemüt war äußerst gut, und sie hätte Hab und Gut verschenkt, hätte man ihr viel zugelassen. Ein Jammer war, daß sie für das einfache, stille, sorgliche Wesen der Mutter oft zu exzentrisch war, weswegen sich diese beiden oft nicht verstanden.
Sie wurde während unseres Aufenthaltes in Maulbronn an einen braven Geistlichen (Pfarrer
Zeller
zu Wiernsheim) verheiratet und starb zu Derdingen, nachdem sie einem schon erwachsenen Sohn geistlichen Standes, der an einem ansteckenden Nervenfieber darniederlag, mit treuer Mutterliebe Tag und Nacht abgewartet hatte, wie er, ein Opfer desselben. Drei ihrer Söhne leben noch, von denen einer ein tätiger Kaufmann im Vaterlande ist, der andere als Direktor der Landwirtschaft im Großherzogtum Hessen-Darmstadt sehr würdig vorsteht. Der dritte widmete sich dem Militärstande. Während die Mutter mit diesem guter Hoffnung war, befand sich die schon erwähnte Tochter des Professors
Maier,
die ein schwarzes und ein blaues Auge hatte, oft um sie, welches Naturspiel dadurch auch auf diesen ihren Sohn überging: auch er erhielt ein ganz schwarzes und ein ganz blaues Auge.
Die jüngere Schwester Wilhelmine war von ruhigem gesetztem Wesen. Sie hatte den Verstand und das Rechtlichkeitsgefühl des Vaters geerbt. Mein Vater gebrauchte sie oft zu seinem Sekretär, auch kam sie meiner Mutter in der großen Ökonomie sehr zu
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