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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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sogenannter Zwinger. Der Eingang in denselben war wenig Schritte von den Ökonomie-Gebäuden durch ein großes, mit schwerem Riegel versehenes Tor der Mauer. Nicht weit von ihm stand in diesem Garten die Ruine eines Turmes, vielleicht eines ehemaligen Gefängnisses, der aber jetzt zum friedlichen Geschäfte eines Dörr-Ofens für das Obst eingerichtet war, und in Wahrheit, man bedurfte auch einer solchen ökonomischen Vorrichtung; denn der ganze lange Zwinger war mit den schönsten Obstbäumen aller Art ausgesetzt, die in den damaligen Jahren Obst in Menge lieferten. In der Umgebung jenes Turmes, etwas tiefer gelegen, war ein kleiner Blumengarten angelegt. An diesen reiheten sich Beete für alle möglichen Gemüsearten, und die Mauern, die gegen Kälte und Wind schützten, gaben vielen Frühbeeten und Spalieren einen passenden Aufenthalt. Noch befand sich hier ein kleiner ausgemauerter See, dem es an Fischen und Geflügel nie fehlte. Selbst der Versuch, wilde Enten hier aufzuziehen, von denen es auf den großen Seen oft wimmelte, wurde hier öfters gemacht, aber meistens mit dem Erfolge, daß die Enten, sobald sie flügge geworden, in die Luft sich erhoben und nicht wieder kamen. Über diesem Zwinger befand sich ein großer See, genannt der tiefe See, welcher ausgezeichnet fischreich war. Durch unsern Garten ging sein Ablauf, aus welchem ich oftmals herrliche Karpfen als gute Beute herauszog. Im Frühjahr, wo durch Schneewasser von den Bergen dieser See sehr anschwoll, bildete er eine große Kaskade, die mit furchtbarem Geräusche in den Zwinger herabstürzte und wirklich dann mehrere Wochen lang einen imposanten Anblick gewährte.
    Was ich in Ludwigsburg noch nicht kannte, die Liebe zu Pflanzen und Blüten, erwachte hier in mir auf einmal. Anpflanzen von Blumenbeeten, Ziehen von Blumen in Töpfen, gewährte mir nun die größte Freude; auch zog es mich, Waldpflanzen zu suchen, in die Wälder, und ich brachte auch manche Stunde in denselben zu, um die Ofris insectifera (eine Pflanze deren Blüte wie eine Biene aussieht) aufzusuchen und zu Hause in Töpfen aufzustellen. Malven, Levkoyen, Nelken pflanzte ich teils selbst, teils suchte ich sie, wo ich nur konnte, für meine Pflanzungen zu erhalten.
     
Freund Gottfried und seine Eltern
     
    Ich hatte hierin einen gleichstrebenden Freund, den Sohn des Professor
Maier,
Namens Gottfried.
    Er war älter als ich; ein gutmütiger, aber sonst sehr prosaischer Mensch. Er war Hospes im Kloster und sollte die Theologie studieren. Oft rief ihm sein Vater zu, wenn er ihn bei mir erblickte: »Büble, Büble! Hebräisch mußt du lernen, Hebräisch! nur dadurch kann man ein Mensch werden.« Das Hebräische soll die Hauptforce dieses Professors gewesen sein, und wenn er glaubte, das Hebräisch habe ihn zu einem Menschen gemacht, so machte es ihn wenigstens zu einem ganz sonderbaren, komischen Menschen und Sonderling. Seine Frau, wie schon öfters bemerkt, Nichte meines Vaters, war aber ebenfalls ganz eigener Art, aber von ihrem Manne ganz und gar verschieden. Er und seine Gattin sprachen durch ihr ganzes Leben mit einander per Sie. Ich kann ihn mir kaum anders denken, als in einer weißen baumwollenen Kappe, mit grauem Härchen, rotem rundem Gesicht, einem runden Bäuchlein, kurz und dick steckend in einem meist schmutzigen, mit Schnupftabak verunreinigten Schlafrocke, an dessen Gürtel ein großes Bund Schlüssel hing. Es waren dies nicht nur die Schlüssel zu Speisekammer und Keller, sondern auch zu den Gelassen der Studenten, dem sogenannten Dormente. Seine Frau dagegen war immer schneeweiß gekleidet, ihr Gesicht bleich, etwas aufgedunsen, von freundlichem doch ernstem Aussehen. Sie war schwärmerisch in religiösen Dingen, die Reinlichkeit in ihrem Haushalte trieb sie bis zur quälendsten Pedanterie. Auf die Reinheit ihrer Stubenböden drang sie so sehr, daß nicht nur das Gesinde, sogar oft die Besucher, mit ausgezogenen Schuhen in den Strümpfen gehen mußten; daß sie dadurch, besonders mit ihrem, die Reinlichkeit gar nicht liebenden Ehegemahl in starken Konflikt kam, war nicht zu verwundern.
    Oft bediente sich der Professor eines Pferdes meines Vaters zum Spazierritt, in meiner Begleitung. Das Pferd war ein sehr hoher Rappe auf welchen ihn jedesmal beim Aufsteigen der Amtsdiener hob. Bei solchem Ritte trug er immer einen langen schwarzen Frack, dessen Flügel links und rechts bis auf die Schuhe reichten, die mit breiten silbernen Schnallen prangten. Das runde Bäuchlein

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