Bille und Zottel 01 - Pferdeliebe auf den ersten Blick
Menschen kümmern. Die lieber im Stall bei den Gäulen geschlafen hat, als in einem Bett, die . . .“
„Ach, hör doch auf!“ unterbrach ihn Mutsch. „Das war was ganz anderes damals, das ist doch alles vorbei und vergessen. Die Zeiten haben sich geändert!“
Bille kaute vor Aufregung immer schneller. Hochinteressant was man da zu hören bekam! Daß Mutsch in ihrer Jugend auch so ein Pferdenarr gewesen war, hatte sie Bille bisher wohlweislich verschwiegen! Nur gut, daß Onkel Paul Mutsch schon als kleines Mädchen gekannt hatte.
Sic waren damals in Ostpreußen Nachbarskinder gewesen. Später waren ihre Familien auf der Flucht in einem Treck hier nach Wedenbruck gekommen und hatten sich eine neue Existenz aufgebaut. Mutsch hatte einmal erzählt, daß auf dem Treck auch ein paar wertvolle Trakehner-Stuten mitgeführt wurden, die nach Groß-Willmsdorf kamen und deren Nachfahren jetzt unter Herrn Tiedjens erfolgreichsten Springpferden zu finden waren.
„Meine Große, die Inge", fuhr Mutsch drüben fort, „die hat nie solche Flausen im Kopf gehabt. Die hat von Anfang an gewußt, wo ihr Platz im Leben ist - und nicht so rumgesponnen wie unser Küken da. Wenn wenigstens ihr Vater noch lebte — der hätte ihr die Dummheiten schon längst ausgetrieben. Aber auf mich hört sie ja nicht.“
„Aber, Olga, was ist denn daran nun so Schlimmes, wenn man Pferde liebt und gerne reiten möchte! Du kannst doch deiner Tochter nicht was verbieten, was du haargenauso gemacht hast! Von wem hat sie's denn schließlich?!“
„Sieh mal einer an!“ sagte Bille.
„Das war ganz was anderes!“ sagte Mutsch heftig. „Wir waren Bauern, für uns waren die Pferde damals lebenswichtig. Heute ist das doch nur Luxus.“
Für mich sind Pferde auch lebenswichtig, dachte Bille. Sie hätte sich allmählich auf den Weg machen müssen, Karlchen wartete sicher schon. Aber dieses Gespräch konnte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.
„Nur, weil du damals einen dicken Strich unter deine Reiterträume gemacht hast, kannst du deiner Tochter doch nicht verübeln, daß sie die gleichen Träume hat!“ sagte Onkel Paul.
„So verrückt war ich nie!“
„Du warst noch verrückter.“
Mutsch schwieg betroffen. Dann flüsterte sie, Bille konnte nicht verstehen, was sie sagte. Wahrscheinlich machte sie Onkel Paul darauf aufmerksam, daß ihr Gespräch mitgehört wurde. Jedenfalls räusperte sich Onkel Paul übertrieben laut und Bille sah ihn in Gedanken vor sich, wie er über das ganze Gesicht grinste.
„Ich kann ihr den Luxus jedenfalls nicht bieten“, sagte Mutsch bestimmt. „Sie soll sich man beizeiten um einen ordentlichen Beruf kümmern. Wer weiß, was alles noch kommt. Der Laden geht immer schlechter, jeder will heute nur noch in Supermärkten kaufen, wo er ’ne Riesenauswahl hat und alles zu Sonderpreisen kriegt. Da kann ich nicht mehr mithalten. Wir Kleinen gehen alle kaputt an euch großen Haien. Ja, ja — sieh mich nicht so an, du gehörst auch dazu mit deinen ,Spar-Markt‘-Ideen! Und so jung bin ich auch nicht mehr . . .“
„Nu hör aber auf“, brummte Onkel Paul.
„Jedenfalls werde ich froh sein, wenn für das Küken gesorgt ist. Große Extrawürste sind da nicht drin.“
Drüben wurde die Tür aufgerissen, die Ladenklingel schellte.
„Ist Bille noch nicht fertig?“ rief Karlchen atemlos.
„Ich komme schon!“ rief Bille, ehe Mutsch antworten konnte. Sie sprang auf, packte das Pferdebuch zusammen mit dem Pausebrot in die Schultasche, trank im Stehen schnell den letzten Schluck Tee und rannte durch den Laden.
„Tschüs, ihr beiden Kampfhähne!“ rief sie übermütig und zog Karlchen mit nach draußen.
Ihr Fahrrad stand noch in der Garage, Karlchen fuhr ungeduldig im Kreis herum, bis sie es endlich an Mutschs Wagen vorbeigeschoben hatte und auf der Straße stand.
„Nun beeil dich schon, wir sind verdammt spät dran!“
„Weiß ich doch.“
Als sie draußen auf der Landstraße waren, fragte Karlchen plötzlich: „Warum hast du das vorhin gesagt?“
„Was denn?“
„Na das mit den ,Kampfhähnen’.“
„Ach . . .“, keuchte Bille, sie mußten kräftig gegen den Wind anradeln, der von der Ostsee herüberkam und ein wenig nach Salz schmeckte, „weißt du, sie haben sich ewig in der Wolle. Onkel Paul wirft Mutsch vor, daß sie so eigensinnig an dem Laden hängt, wo sie doch anderswo viel mehr verdienen könnte und nicht so schwer arbeiten müßte. Und Mutsch wirft Onkel Paul vor, daß er drüben in
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