Bille und Zottel 03 - Mit einem Pferd durch dick und duenn
strengerer Lehrer als Herr Tiedjen . Bei ihm gab es militärischen Drill, er zog seine Schüler „durch die Mangel“, wie er es nannte. So sanft und zartfühlend er im Umgang mit Pferden war, so hart konnte er die Reiter anpacken. Bei all dem war er aber nie boshaft oder verletzend, und Bille und ihren Freunden war es ganz recht, daß sie zwei so verschiedene Lehrer hatten.
Öfter nahm Bille ihren Zottel abends mit nach Hause, seit sie einen eigenen Stall für ihn hatte. Das geschah vor allem dann, wenn sie den Nachmittag bei Bettina auf dem Peershof verbracht hatte. Und wenn sie nicht versprochen hatte, abends im Stall zu helfen, sparte sie sich den Umweg über Groß- Willmsdorf und ritt direkt nach Wedenbruck zurück.
So war es auch gestern gewesen.
Als Bille an diesem Tag früher als erwartet aus der Schule kam, weil der Nachmittagsunterricht ausgefallen war, glaubte sie einen herrlich langen schulaufgabenfreien Tag bei den Pferden vor sich zu haben. Zunächst wollte sie Zottel putzen und mit ihm nach Peershof hinüberreiten, um Bettina abzuholen. Und dann würden sie einen langen Ausritt durch den verschneiten Wald machen.
Bille rannte in ihr Zimmer hinauf, feuerte den Schulranzen in die Ecke und zog sich um. In der Küche stand ein Topf Gemüsesuppe auf dem Herd. Ach was, die Zeit war zu kostbar, um sie mit Suppewärmen zu verplempern. Ein Stück Brot tat es auch. Bille stopfte sich die Taschen voller Apfel und Zuckerstücke und stürmte hinaus.
Warum war Zottel heute so still? Sonst hörte sie sein freudiges Begrüßungswiehern schon von weitem — er war doch nicht etwa krank? Voller Unruhe betrat sie den Stall.
Die Tür zu Zottels Box stand sperrangelweit auf und die Box war leer! Bille schaute sich fassungslos um, als könne er ihr einen Streich gespielt und sich in einem Winkel vor ihr versteckt haben.
„Zottel! Zottel— wo bist du?“
Bille rannte durch den Garten. Doch nein, hier konnte ei nicht sein, sie hätte seine Spuren im Schnee sehen müssen Aber wie war er vom Grundstück weggekommen — er konnte doch nicht über den Zaun springen?
Bille suchte jeden Winkel des Grundstücks ab, dann stieg sie die Kellertreppe hinunter und untersuchte dort jeden Raum, obgleich es unmöglich war, daß Zottel bis hierher Vordringen konnte. Nirgends war auch nur eine Spur ihres Lieblings zu sehen.
Angenommen, der Postbote hatte das Tor geöffnet, als Zottel bereits im Garten war, so daß Zottel hinter seinem Rücken auf die Straße laufen konnte? Dann war er sicher nach Groß- Willmsdorf hinübergetrabt, zu den anderen Pferden. Obgleich es immer noch rätselhaft blieb, wie Zottel aus seiner Box gekommen war, wurde Bille bei diesem Gedanken etwas ruhiger.
Sie holte ihr Fahrrad aus der Garage und fuhr nach Groß- Willmsdorf hinüber. Und je näher sie den behäbigen Scheunen und Stallgebäuden kam, desto sicherer war sie, Zottel dort in seiner Box vorzufinden.
Aber ihr Gefühl hatte getrogen. Petersen schaute erstaunt auf, als sie schon von draußen nach Zottel rief.
„Hat er dich abgeworfen und ist schon vorgelaufen? Ich dachte, ihr wollt zusammen kommen.“
„Wieso — ist er nicht hier?“
„Nein. Soll er das? Du hast ihn doch gestern abend mit nach Hause genommen. Hast du das vielleicht vergessen?“
„Unsinn. Aber zu Hause ist er nicht. Haben Sie in seine Box gesehen? Vielleicht haben Sie ihn nur nicht kommen hören?“ sagte Bille schwach.
Hubert steckte seinen Kopf aus der Box von Black Arrow. „Na hör mal! Wenn dein Schätzchen hier auftaucht, schreckt doch alles zusammen! Schon aus Angst, daß jemand vergessen hat, die Haferkiste zuzumachen.“
Bille war zu Zottels Box gerannt. Es stimmte — sie war leer. Bille war es, als öffne sich der Boden unter ihren Füßen.
„Aber wo kann er dann sein? Heute morgen , als ich in die Schule fuhr, war er im Stall. Ich habe ihn gefüttert und die Tür fest zugemacht, das weiß ich! Und jetzt ist er nicht mehr drin“, sagte sie weinerlich und schaute ratlos von einem zum anderen.
„Nun verlier man bloß nicht die Nerven!“ Hubert lächelte breit. „Onkel Paul wird ihn mit nach Leesten genommen haben.“
„Warum sollte er das tun?“
„Was weiß ich? Vielleicht ’n Reklameritt machen oder so.“
„Onkel Paul? Auf Zottel? Das glaubst du doch selbst nicht.“
„Na, das läßt sich ja leicht feststellen“, meinte der alte Petersen begütigend. „Geh ins Büro rüber und ruf an, dann weißt du’s. Wird sich schon alles
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