Bille und Zottel 04 - Applaus fuer Bille und Zottel
Entschuldige.“
Bille steckte den Zeitungsartikel wieder zurück. Wenn Hubert glaubte, nur weil jemand ihren Namen in der Zeitung erwähnte, wäre sie schon berühmt, dann wollte sie den Artikel gar nicht lesen.
Bille ging zu Lohengrin hinein und sagte einige freundliche Worte zu ihm. Irgendwie hatte sie das Gefühl, sie verstünden sich jetzt besser — oder war es nur sie, die Lohengrin besser verstand?
„Ich komm gleich wieder zu dir. Will nur schnell nach unseren Kindern sehen. Nachher geht’s wieder an die Arbeit, mein Lieber!“
Der Regen peitschte an die Scheiben. Bei dem unfreundlichen Wetter waren die Stuten mit ihren Kindern im Stall. Der kleine Sindbad kam sofort angesprungen, als Bille an die Box kam.
Bille nahm das Fohlenhalfter vom Haken und legte es Sindbad um.
„Ich bewege ihn ein bißchen!“ rief sie zu Hubert und Petersen hinüber. „Komm mein Kleiner!“
Sindbad ging willig mit. Bille legte ihm eine Decke über und führte ihn zur großen Scheune hinüber, die weit offen stand. Auf dem festgestampften Erdboden im Schutz des Scheunendachs konnte er wundervoll galoppieren, ohne sich zu verletzen. Bille rannte in großen Sprüngen neben ihm her und führte ihn.
„Puh — du bringst mich ganz schön außer Atem!“ stöhnte sie. „Bald kann ich dich an die Longe nehmen. Du bist ein intelligenter Bursche, du wirst das ganz schnell kapieren, nicht wahr?“
Zwei-, dreimal lief sie mit ihm noch hin und her, dann brachte sie ihn zurück in den Stall. Sie putzte ihn gründlich und bereitete ihm seine Kindernahrung. Während sie seine Mutter, Sinfonie, einer gründlichen Reinigung unterzog, brachte sie ihn zu Zottel in die Box, der den kleinen Kerl freudig wiehernd begrüßte.
„Könntest du nicht heute mal Sinfonie longieren?“ fragte Petersen. „Ich muß früher weg.“
„Klar, mach ich.“
Das war das Schöne an dem Leben mit Pferden, dachte Bille. Nicht der Turnierplatz, der Wettkampf, nein, der Alltag, die tägliche Fürsorge war das, was wirklich zählte. Sie beendete ihre Putzarbeit und ging mit Sinfonie in die Reitbahn hinüber. Der Wind rüttelte an Fenstern und Türen, aber hier drinnen waren nur die leisen Schnaufer der Stute zu hören, die im Trab Bille umkreiste.
Später las Bille den Zeitungsartikel dann doch noch. Sie zog sich zu Lohengrin in die Box zurück, putzte den Wallach gründlich und sattelte ihn. Und da sie bis zum Training bei Herrn Tiedjen noch eine ganze Weile Zeit hatte, hockte sie sich auf seine Krippe und vertiefte sich in die Lektüre.
Der Reporter hatte zunächst über die Geschichte des Neukirchner Reitvereins geschrieben, über den Reitlehrer und Veranstalter und über die erfolgreichsten Schüler der Reitschule. Aber dann kam es:
„Für eine Überraschung sorgte die dreizehn Jahre junge Sibylle Abromeit aus Wedenbruck, eine Schülerin Hans Tiedjens. Sie siegte im Springen um den Pokal der Stadt Neukirchen mit dem einzigen Null-Fehler-Ritt auf .Lohengrin ', einem Pferd, das allen noch in guter Erinnerung sein dürfte. Sibylle Abromeit lenkte den schweren Wallach kaum sichtbar wie an einem seidenen Faden. Erstaunlich, wie das Pferd jedem ihrer Winke gehorchte! Eine reiterische Begabung, die zu den größten Hoffnungen berechtigt, ein Name, den man sich merken muß!“
„So ein Blödian!“ schimpfte Bille. „Hast du das gehört? Am seidenen Faden! Wo hat der denn seine Augen gehabt? Will er dich beleidigen? Märchenerzähler — keine Ahnung von Pferden!“
„Was meckerst du denn da vor dich hin?“
Bille hatte gar nicht bemerkt, daß Bettina und die drei Jungen in den Stall gekommen waren.
„Ach, der blöde Artikel. So ein Schmus“, muffelte Bille.
„Na und? Freu dich doch! Da — seht sie euch an: ist am Ziel ihrer Wünsche und mault noch rum“, sagte Bettina lachend.
„Am Ziel?“ Bille sprang von der Krippe und führte Lohengrin hinaus auf die Stallgasse. „Am Anfang bin ich! Ganz am Anfang.“
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