Bille und Zottel 04 - Applaus fuer Bille und Zottel
Applaus von allen Seiten heranbrandete, begann sie sich doch noch zu freuen. Vielleicht war sie wirklich nicht so schlecht geritten? Jedenfalls war es schön, all die Gratulationen und Zurufe zu hören. Der Fotograf des Stadtanzeigers machte ein Foto von ihr und Lohengrin, dann noch eines von ihr mit Herrn Tiedjen und schließlich nahm er Herrn Tiedjen inmitten seiner Schüler auf.
Bille mußte die ersten Autogramme ihres Lebens geben und von allen Seiten wurde sie gefragt, ob sie vielleicht irgendwelche Wünsche hätte, etwas zu essen oder zu trinken, ein Eis oder eine Tafel Schokolade?
Mutsch und Onkel Paul kamen von der Tribüne und umarmten sie.
„Das war doch ein schöner Lohn für all die harte Arbeit im Stall und beim Training“, sagte Onkel Paul gerührt.
Und Mutsch drückte sie immer wieder an sich und flüsterte: „Ich hab’s ja gewußt, ich hab’s gewußt, daß du es schaffen würdest! Ich bin stolz auf dich!“
Der Reitverein Neukirchen veranstaltete am Abend einen Ball, und der erste Vorsitzende hielt eine Rede auf den Nachwuchs im allgemeinen und auf Bille Abromeit im besonderen.
Bille mußte von Tisch zu Tisch gehen und immer wieder die gleichen Fragen beantworten. Junge Reiter und Reiterinnen aus dem Neukirchener Verein drängten sich an ihre Seite, um ein wenig von ihrem Glanz mitzubekommen.
Das Festessen schmeckte herrlich, nachdem die Spannung gewichen war. Tagelang hatte sie keinen Appetit gehabt — aber jetzt! Sie hätte bis an ihr Lebensende durchessen können.
Später wurde getanzt und Bowle getrunken. Herr Tiedjen eröffnete mit Bille den Tanz.
„Eine Polka bitte, darin sind wir zwei besonders gut!“ rief er der Kapelle zu. Dann nahm er Bille bei der Hand und sagte lächelnd: „Weißt du noch? Voriges Jahr beim Erntefest? Es war übrigens der einzige Grund, warum ich gern eine Tochter gehabt hätte: damit ich später mal mit ihr tanzen gehen kann.“ Bille blinzelte übermütig zu ihm hinauf.
„Jetzt haben Sie ja mich.“
„Ja, jetzt habe ich dich.“
Es wurde spät.
„Wie gut, daß morgen Sonntag ist“, sagte Mutsch, „morgen wird ausgeschlafen!“
„Wenn ich überhaupt kann“, sagte Bille und gähnte herzhaft. Sie konnte. Sie schlief bis neun Uhr durch, und als sie dann zum Frühstück kam, hörte sie Tuscheln, Trappeln und das Rascheln von Papier.
„Wir frühstücken heute im Garten!“ rief Mutsch.
„Herzlichen Glückwunsch, liebe Bille“, dröhnte ein verzerrter Baß von einem Tonband.
Neben dem Frühstückstisch standen Zottel und Moischele. Zottel hatte einen Blumenstrauß im Maul, den er gerade zu verzehren begann — und Moischele ein Band, an dem eine große Schachtel Pralinen hing.
„Danke, meine beiden Lieblinge.“ Bille rettete den Blumenstrauß und befreite Moischele von dem Band, das ihm sichtlich Unbehagen bereitete. „Wie nett von euch, mir zu gratulieren!“ Bille gab jedem von ihnen einen zarten Kuß auf die Stirn und belohnte sie mit einer Handvoll Zuckerstücke. Dann setzte s ie sich an den Frühstückstisch, in dessen Mitte eine große Torte prangte.
„Die hat Mutsch heute früh extra gebacken“, sagte Onkel Paul und tätschelte Mutsch die Hand.
„Ach, Mutsch, du bist ein Schatz! Du weißt gar nicht, was für einen Appetit auf Kuchen ich habe. Ich muß ewig nichts gegessen haben.“ Bille schnitt sich ein großes Stück von der Torte ab und biß heißhungrig hinein. „Übrigens...“, sagte sie, kauend, „ich wußte gar nicht, daß wir ein Tonbandgerät haben?“
„Das“, jetzt tätschelte Mutsch Onkel Paul die Hand, „hat Onkel Paul heute früh besorgt. Er hat den Radio-Händler extra deswegen aus dem Bett geholt. Es ist für dich.“
„Falls du mal wieder eine Pferde-Show aufführen möchtest“, fügte Onkel Paul hinzu.
Als Bille am Montag nachmittag in den Stall kam, steckte an Lohengrins Box die neue Rosette. Und darunter, auf Pappe aufgeklebt, ein Zeitungsartikel. Jemand hatte mit Rotstift an den Rand geschrieben „Für Bille“. Bille glaubte, Herrn Tiedjens Handschrift zu erkennen.
„Tja — wenn man berühmt wird...“, sagte Hubert, der in der Box gegenüber frische Streu ausbreitete.
Bille wurde rot.
„Berühmt! So ’n Quatsch. Sag das bloß nicht noch mal!“
„Wieso — findest du das nicht schön?“
„Nein. Denn erstens bin ich nicht berühmt — noch lange nicht—, und zweitens mag ich so was nicht hören!“
„Schon gut, schon gut. Hab’s ja nicht böse gemeint.“
„Weiß ich.
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