Bille und Zottel 14 - Ein Pony auf grosser Wanderung
und es regnet. Hätte mich direkt gewundert, wenn heute die Sonne rausgekommen wäre“, meinte Bille. „Wenn ich nicht vier Pferde zu reiten hätte, würde ich den ganzen Tag im Bett bleiben und lesen.“
„Wir müssen allmählich los, Paul“, mahnte Mutsch . „Bist du fertig?“
Da ließ plötzlich ohrenbetäubender Lärm das Haus erzittern. Die Tassen klirrten im Schrank.
„Was um Himmels willen ist das?“ fragte Bille verstört. „Panzer. Du weißt doch, das Manöver! Wehrübung der Reservisten“, brummte Onkel Paul.
„Keine Ahnung. Na ja, drüben in Groß- Willmsdorf kriegt man so was nicht mit. Gott sei Dank, unsere Pferde würden verrückt spielen ! Also, ich mache mich dann auf den Weg. Tschüs, ihr beiden!“
„Tschüs, Kleines. Und zieh dir was Warmes an!“
„Mache ich.“
Bille schlüpfte in Parka und Reitstiefel und holte Zottel aus dem Stall. Moischele bekam zwei Mohrrüben zum Trost, daß er allein Zurückbleiben mußte.
Als Bille die Dorfstraße hinunterritt, wurde sie von einer Kolonne von Militärfahrzeugen überholt, die sich in mäßigem Tempo durch den Ort wälzte. Junge Soldaten machten sich gegenseitig auf das Mädchen mit dem rotweiß gesprenkelten Pony aufmerksam; sie lachten, schrien „ Hüa !“ und schnalzten, und einer von ihnen imitierte zum Vergnügen der anderen ein Wiehern. Bille biß sich auf die Lippen und tat, als höre sie die anzüglichen Bemerkungen nicht. Aber sie ärgerte sich. Sie war heilfroh, als sie von der Straße in die Allee nach Groß- Willmsdorf einbiegen konnte.
Als sie vor dem alten Pferdestall aus dem Sattel sprang, waren Simon und Herr Tiedjen bereits in der Reithalle. Jamaika und Nathan standen nicht in ihren Boxen, stellte Bille fest; die waren also heute zuerst dran.
Bille sattelte Zottel in der Stallgasse ab und brachte ihn zu Black Arrow in die Box. Sie würde mit San Pietro die Arbeit beginnen, dann hatte sie den anstrengendsten Teil des Tages hinter sich. Die Reitschulpferde, die sie während der Ferien zu betreuen übernommen hatte, brauchten nur bewegt zu werden, und ihren Black Arrow nahm sie stets zuletzt dran. Er gehörte schließlich zur Familie. Solange sein Freund Zottel bei ihm war, würde ihm der Tag ohnehin nicht lang werden.
Bille sattelte San Pietro, der durch die Gitterstäbe seiner Box einen zärtlichen Flirt mit seiner neuen Nachbarin Sindy hatte, und ging mit ihm in die Reithalle hinüber. Auf dem Weg sah sie den Wagen des Hufschmieds in den Hof einfahren. Richtig, den hatte sie fast vergessen. Auch Black Arrow bekam heute neue Eisen. Um so besser, daß sie ihn in der Box gelassen hatte.
Bille betrat die Reithalle, begrüßte die beiden Männer und saß auf. Draußen rief der alte Petersen lautstark nach Hubert, der dem Hufschmied beim Beschlagen der Pferde zur Hand gehen sollte.
Hubert hatte nicht seinen besten Tag. Das Aufheben der Pferdebeine zum Beschlagen gehörte nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, schon gar nicht bei diesem Sauwetter — auch wenn die Prozedur unter dem Vordach der Scheune, also einigermaßen im Trockenen, stattfand. Und außerdem war gestern Kegelabend gewesen. Hubert hatte die Biere nicht gezählt, mit denen er seine heisere Kehle hatte befeuchten müssen; Tatsache war jedenfalls, daß jede Neigung seines Kopfes ihm heute unerträgliche Beschwerden bereitete. Und bei dem Gedanken, beim Beschlagen der Pferde in gebückter Haltung auszuharren und dabei den Brandgeruch in der Nase zu haben, der von den glühenden Eisen aufstieg, wenn sie auf die hornigen Hufe gedrückt wurden, wurde ihm schon jetzt schwarz vor Augen.
Aber das half nun nichts. Der Hufschmied baute im Hof bereits sein Gerät auf und wartete auf den ersten Kunden.
Hubert öffnete lustlos Black Arrows Box. „Na komm raus, Junge, du bist heute der erste. Los, komm schon!“
Mit der einen Hand winkte Hubert dem Wallach, mit der anderen hielt er sich die schmerzende Stirn. Der Wallach schien Verständnis für seine Lage zu haben, jedenfalls kam er freiwillig aus der Box und ließ sich von Hubert auf den Hof führen.
Zottel, der in der Ecke der Box gedöst hatte, fuhr auf. Träumte er? Sah er richtig? Da stand die Boxentür sperrangelweit auf, und die Stalltür war ebenfalls offen!
Zottel zögerte nicht lange — eine solche Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen! Leise verließ er die Box, schritt zur Stalltür hinaus, hielt sich eng an der Mauer, als er sich nun nach links wandte, wo der Sand das Geräusch
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