Bin ich hier der Depp
späten Abendstunden, ohne die Probleme wirklich zu lösen. Für die Menschen hatte er keine Zeit. Nur für die Technik.
Ich stellte ihm folgende Aufgabe: »Mal angenommen, es gäbe eine Instanz in Ihnen, die Sie morgens im Bett festhält, nennen wir sie einmal ›Stimme der Intuition‹: Was flüstert Ihnen diese Stimme wohl, um Sie so lange wie möglich von Ihrem Arbeitsplatz fernzuhalten?«
Ich ging davon aus, er werde nun lange grübeln. Doch seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Bleib zu Hause! Es lohnt sich nicht! Du hetzt, ohne anzukommen. Du flickst, ohne zu reparieren. Du machst dich unglücklich mit dieser Arbeit!«
Die Klarheit und Schnelligkeit, in der er diese Sätze formulierte, ließ keinen Zweifel: Diese Gedanken waren längst im Garten seiner Intuition gereift, er hatte sich nur nicht die Zeit genommen, sie zu ernten.
Es war das erste Mal, dass er auf seine Intuition hörte. In den nächsten Wochen dachte er über seine Erkenntnisse nach, und sechs Monate später wendet er sein Leben: Er kündigte und baute sich zusammen mit einem Kollegen ein Geschäft für Software-Schulung auf. Dabei sollten die Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht die Technik.
Vor allem war es ihm wichtig, wieder mehr Zeit für sich und für seine Hobbys zu gewinnen. In seinem Selbst-Vertrag legte er fest, maximal drei Tage zu arbeiten. Sein Kollege vertrat dieselbe Philosophie. Einer arbeitete von Montag bis Mittwoch, der andere von Donnerstag bis Samstag. Das Modell funktionierte prächtig. Beide waren energiegeladen und strahlten gute Laune aus. Die Kunden rannten ihnen den Laden ein. Dieses Modell behielten sie sogar bei, als die Zahl der Kunden wuchs und sie Aufträge an externe Trainer vergaben.
Sie mussten sich nicht selbständig machen – sie wollten es. Sie mussten nicht miteinander als Partner arbeiten – sie wollten es. Sie mussten sich nicht auf drei Tage beschränken – sie wollten es. Sie führten ein Leben nach ihren Wünschen, nicht nach Vorgaben von außen. Und durch ihre Drei-Tage-Woche hatten sie sich bewusst für einen Rhythmus entschieden, der Spannung und Entspannung in ein gesundes Verhältnis setzte.
Die Warnlampe der Intuition: Wer sie ernst nimmt, kann herausfinden, welches die Krafträuber bei seiner Arbeit sind (meist: »Ich muss«) und aus welchen Quellen er Kraft bezieht (meist: »Ich will«). Horchen Sie in sich hinein, wie lebendig Sie bei Ihrer Arbeit sind (und davor und danach). Große Lebendigkeit spricht für große Erfüllung. Dagegen weisen Bedrückung, Ohnmacht und Gehetzt-Sein auf ein falsches (Arbeits-)Leben hin.
Wenn Sie auf Ihre Intuition hören, bekommen Sie die nötigen Anregungen, um sich ein passendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Schlagen Sie Ihrem Chef vor, wie sich Ihr Arbeitsplatz umgestalten ließe, wie Sie mehr von dem tun könnten, was Ihnen Kraft schenkt, und weniger von dem, was Ihnen Kraft raubt.
Und wenn Ihre Firma nicht darauf eingeht? Dann müssen Sie wieder einmal Grenzen setzen! Dann sind Sie es sich selbst schuldig, einen neuen Arbeitgeber zu suchen, der ein Arbeitsleben im Einklang mit Ihren Werten erlaubt.
Oder Sie machen es wie der Informatiker und gründen Ihre eigene Firma! Aber denken Sie an den Selbst-Vertrag; Sie werden ihn brauchen, damit Sie sich selbst ein guter Chef sind und sich stets erinnern an die Warnung des französischen Moralisten Antoine de Rivarol: »Dieselben Gaben, die einen Mann befähigen, Millionen zu erwerben, hindern ihn, sie zu genießen.«
Alle Hamsterräder stehen still …
»Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will«: Dieses Motto der Arbeiterbewegung gilt erst recht für die Hamsterräder. Sie drehen sich nicht von allein, sie rotieren durch das Strampeln der Menschen, die einen hoffnungslosen Kampf führen gegen die Uhr und gegen die ständige Überlastung.
Und nicht nur das: Mitarbeiter kämpfen gegeneinander! Als Gladiatoren steigen sie in die Arbeitsarena. Jeder will den anderen ausstechen, will stärker sein, schneller sein, weiter (nach oben) kommen. Wenn der eigene Arbeitsplatz sicher ist, was kümmern einen dann die Schleudersitze in der Nachbarschaft?
Seit das Damoklesschwert der Massenentlassung über den Köpfen schwebt, seit der Arbeitskessel vor lauter Konkurrenzdruck pfeift, ist sich jeder selbst der Nächste. Die Solidarität endet mit dem eigenen Schreibtisch. Niemand beschwert sich über Zeitarbeit, solange er einen regulären Vertrag hat. Niemand protestiert gegen die
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