Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
aufstrebenden Bundesrepublik und ihrer höchst erfolgreichen Automobilindustrie wohl aus der Seele. Seitdem riskiert jede Partei massive Einbrüche bei den Wählerstimmen, wenn sie ein Tempolimit vorschlägt, das in all unseren Nachbarländern vollkommen selbstverständlich ist. Die Liebe zwischen den Deutschen und ihren Autos ist und bleibt also ungebrochen – und wer bringt es schon übers Herz, die geliebten Pferde zu zügeln …
Als der Tageskilometerstand gute neunhundert Kilometer anzeigt, überqueren wir die Grenze nach Slowenien. Auch hier bietet sich ein vollkommen anderes Verkehrsbild als daheim, was uns eine entspannte Weiterreise nach Kroatien ermöglicht. Inzwischen sitzt Sarah bei unserer Tochter auf dem Rücksitz, denn obwohl Klara ihre erste lange Autoreise bisher bestens mitgemacht hat, wird sie langsam quengeliger.
Zwei Stunden später fahren wir über eine lange Brücke, und dann ist endlich unser Urlaubsziel zu sehen. Umschlossen von türkisfarbenem Wasser liegt die grüne Insel Krk vor uns, der einzige mir bekannte Ort, der komplett ohne Vokale auskommt.
»In 300 Metern: Sie haben Ihr Ziel erreicht«, verkündet das Navigationsgerät grammatikalisch einzigartig und beendet damit unsere gut zwölfstündige Autofahrt. Es ist sieben Uhr abends, und wir sind endlich am Ziel angekommen!
Vor dem Gartenzaun des dreistöckigen Hauses, in dem wir für zwei Wochen ein Appartement gemietet haben, steht ein älterer Herr. Er trägt nichts außer einer Jeans, die so kurz abgeschnitten wurde, dass die weißen Hosentaschen heraushängen und einen kräftigen Kontrast zu den stark gebräunten Beinen und dem beinahe schwarzen Oberkörper bilden. Seine Haut wirkt ledrig, ganz so, als würde er seit vielen, vielen Sommern seinen drahtigen Körper in der kroatischen Sonne ausführen. Genau so wird es wohl auch sein, denn von Chrissi, meiner ehemaligen Kollegin, die mir das Appartement empfohlen hat, weiß ich, dass Herby nach dem Verkauf seiner Firma vor mehr als zehn Jahren aus dem Schwabenland ausgewandert ist – nur eben nicht wie viele seiner Landsleute nach Prenzlauer Berg, sondern nach Kroatien. Auf seiner Nase sitzt eine Brille mit Drahtgestell und runden Gläsern. Abgesehen von einem schmalen Kranz langer grauer Haare, die er zu einem Zopf gebunden hat, ist der Großteil seines Schädels kahl und voller Leberflecke.
Als er unser Nummernschild erkennt, hebt er die dünnen Arme und winkt uns in die Auffahrt des Hauses, das wir bereits von seiner Homepage kennen: die Villa Herby. Zwischen Schubkarren, kleinen Sandhügeln, ausrangierten Heizkörpern und einer überquellenden Mülltonne parken wir unser Auto.
»Hallöle«, ruft uns der Hausherr in feinstem Schwäbisch freudig zu, »i bin der Herby!« In seinem braun gebrannten Gesicht bilden sich zahlreiche Falten, als er uns lachend die Hand schüttelt.
Beladen mit der quengelnden Klara und den wichtigsten Gepäckstücken folgen wir unserem Vermieter auf einer Außentreppe ins oberste Stockwerk der weißen Villa, wo er einen Schlüssel unter der Fußmatte hervorholt und eine Milchglastür aufschließt. »Willkomme in de Adria-Suite«, ruft er feierlich beim Betreten der offenen Wohnküche, an die eine Dachterrasse mit Meerblick grenzt. »Des isch eua Heimat für de nächschte zwei Woche, und i tu euch verschpreche, hier wolled ihr ned mehr weg!«
In der Tat hat Chrissi nicht übertrieben: Die Bude ist der Kracher! Wer könnte sich hier nicht erholen? Auf Terrakottafliesen stehen gepolsterte Korbmöbel, daneben üppige Zimmerpflanzen vor der Fensterfront zur Terrasse, an der Decke rotiert ein Ventilator, der die warme Luft umwälzt und so ein etwas kühleres Klima als draußen schafft. Auf der linken Seite der blitzblanken Wohnung führt ein Korridor an einem geräumigen Bad vorbei ins Schlafzimmer, das einen eigenen Zugang zur Terrasse hat. In Birkenstocksandalen führt Herby uns durch die gesamte Wohnung und schließlich auf die Terrasse, wo er einen Sonnenschirm aufspannt und uns die Aussicht auf die Adria präsentiert.
»Des isch der Weg zum Strand«, erklärt er und zeigt auf einen verschlungenen Pfad, der sich hinter der Villa bergab zwischen den kleinen Häuschen des Dorfes verliert, »und im Gadde gibt’s a Grill und a Planschbegge im Schadde.«
Nachdem ich den Mietvertrag unterschrieben habe, überreicht mir Herby den Schlüssel und verabschiedet sich in seine Wohnung im Erdgeschoss.
»Meinte deine Kollegin nicht, der Typ wär voll der
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