Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)
schräge Vogel?«, fragt Sarah, als ich mit einer weiteren Ladung Gepäck wieder oben ankomme.
»Keine Ahnung, wirkt ganz normal – für einen Deutschen.«
Sarah und ich beschließen eine kluge Aufgabenteilung: Sie packt aus und füttert schon mal Klara, ich begebe mich auf die Jagd nach Nahrungsmitteln. Natürlich könnten wir es krampfhaften Kritikern der traditionellen Rollenverteilung recht machen und tauschen, aber weil Sarah langsamer zu Fuß ist und ungern schwere Tüten schleppt und ich mich bei allem, das mit Ordnung zu tun hat, unfassbar blöd anstelle, würde die Angelegenheit dann doppelt so lang und viermal so stressig werden – worauf wir gerne verzichten.
Eine halbe Stunde später streife ich ziellos durch die Supermarktgänge. Inspiriert von den fremden Produkten lasse ich mich durch die Reihen treiben und versuche, die auf den Packungen abgedruckten Worte zu dechiffrieren. Spätestens vor der Frischtheke wird klar, dass Kroaten offenbar gern viel Fleisch essen und sie in ihrer Sprache nicht ganz so viele Vokale verwenden wie wir.
Im nächsten Gang mache ich eine beunruhigende Entdeckung: Nutella. Und wo Nutella ist, können Eingeborene der Freak-Republik nicht weit sein. In der Tat: Nur wenige Augenblicke später steht ein Mann in Outdoorsandalen vor mir und zieht aus der Seitentasche seiner knielangen Cargo-Hose einen sauber gefalteten Zettel. Mir schwant Übles, als er tief Luft holt, seine Hand trichterförmig an den Mund hält und dann durch den ganzen Laden brüllt: »Dörte, Nutella hab ich! Hast du das Müsli schon gefunden?«
»Nei-hänn!«, tönt es aus der Reihe nebenan. »Und linksdrehenden Joghurt auch nicht!«
»Entschuldigung«, spricht mich der Mann plötzlich an, »wissen Sie, wo das Müsli steht?«
Ich zögere einen Moment. Wozu habe ich mich und meine Familie eigentlich über tausend Kilometer nach Süden verfrachtet? Um jetzt schon wieder unter Deutschen zu wandeln? »I’m sorry«, beginne ich so akzentfrei, wie nur irgend möglich, und setze ein grenzdebiles Lächeln auf. »I don’t speak … your language.«
»Oh, sorri. Ju luck so dschörmän!« Der Wanderer zieht von dannen und lässt mich mit der Packung Spaghetti, der Dose Tomatensoße und einer geballten Ladung Frust stehen. Ich sehe also dschörmän aus? Ernsthaft?!
Auch die Dame an der Kasse scheint mir meine Herkunft an der Nasenspitze anzusehen und wünscht mir auf Deutsch einen schönen Abend. Kroatisch lernen muss ich also schon mal nicht – schade, denn bekanntlich wachsen wir Menschen ja an Herausforderungen. Auf meinem Rückweg fallen mir nun ungleich mehr meiner Landsleute ins Auge als auf dem Weg zum Supermarkt. Deswegen höre ich hier also kaum ein kroatisches Wort, sondern fast nur Fränkisch, Pfälzisch, Bayerisch und Sächsisch. Ob die tagsüber etwa auch alle an den Strand wollen?
Bis wir am nächsten Morgen die benötigten Utensilien für den Weg zum Wasser zusammengesucht haben, ist es schon fast Mittag. Erfreulicherweise finden wir an der zerklüfteten Küste keinen Massenstrand vor, stattdessen bietet die Promenade Zugang zu unzähligen kleinen Buchten. Auf den dicken Kieselsteinen vor dem flachen Wasser haben es sich jedoch schon so viele Sonnenanbeter bequem gemacht, dass wir auch nach einem langen Spaziergang durch die beginnende Mittagshitze keinen einzigen Platz mehr finden. Ein Großteil der Fläche ist allerdings nicht persönlich belegt, sondern mit Handtüchern reserviert, auf denen ich weitere Hinweise auf meine Landsleute entdecke: Rätselblöcke, Bierdosen und die Gala.
Zwischen zwei Lagern finden wir dann doch eine Lücke, die genug Platz für unsere zwei Schaumstoffmatten, die wir in Vorbereitung auf die Kieselküste besorgt haben, bietet. Mit einer dicken Schicht Sonnencreme – Lichtschutzfaktor fünfzig! –, einem Sonnenhut und einer Schwimmwindel kann auch Klara das Bombenwetter genießen, und so kommt unterm Sonnenschirm erstmalig Entspannung auf. Das Rauschen der Wellen, das Geschrei der Möwen und der Geruch des Salzwassers lassen endlich Sommerurlaubsstimmung entstehen. Nach wenigen Minuten döse ich ein, werde allerdings gefühlte Sekunden später von Sarahs Stimme geweckt.
»Das konnten wir doch nicht wissen«, sagt sie zwar ruhig, aber nicht ohne gereizten Unterton. »Als wir hier ankamen, war der Platz jedenfalls frei.«
»Mei, wos heißt hier frei?«, widerspricht der Herr ihr umgehend. »Mir hamm extra gekennzeichnet, wo mir seit zwei Wochen liegen
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