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Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Titel: Biografie eines zufälligen Wunders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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…«
    »Sie wollten ihnen einfach das Maul stopfen, damit sie aufhören zu protestieren.«
    »Und wogegen protestieren Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?«, zischte Bohdana Iwaniwna triumphierend.
    »Sie ist meine Freundin.«
    »Na, dann gehen Sie hin und helfen Sie Ihrer Freundin! Machen Sie was. Kaufen Sie einen Rollstuhl. Warum müssen Sie mich beschimpfen?«
    »Ich beschimpfe Sie nicht. Ich sage Ihnen nur, was Ihre Arbeit wäre. Aber statt den Behinderten zu helfen, verprassen Sie das Geld. Stimmt doch! Sagen Sie mir einfach die Wahrheit. Sie bestellen doch ordentliche Rollstühle, vergeben aber billigen Schrott. Den Rest teilen Sie untereinander auf …«
    Lena wurde bleich, ihr war speiübel. Später erzählte sie, es habe sich angefühlt, als hätte sie giftige Pilze gegessen oder als hätte sich ihr ein Stück Haut einer spanischen Tomate an die Magenwand geklebt. Das passiert mit Menschen, wenn sie großem Stress ausgesetzt sind. Der Körper möchte sich reinigen.
    Bohdana Iwaniwna kreischte:
    »Das ist eine dreiste Lüge! Ich brauche kein Geld von den Behinderten! Die Rollstühle werden staatlich geprüft! Sie sind für den Einsatz geeignet!«
    »Zeigen Sie mir die Papiere, die das bestätigen.«
    »Sie Blutsaugerin! Ich rufe die Polizei!«
    »Zeigen Sie mir die Papiere.«
    Bohdana Iwaniwna drehte sich zum Fenster, um sich zu beruhigen. Sie atmete sechsmal mit dem rechten Nasenloch ein und mit dem linken aus. Diese Technik hatte sie vermutlich aus einem Handbuch der Reihe »Wie man in Konfliktsituationen die Nerven behält«. Als sie sich dann zu Lena drehte, war sie wieder gefasst. Ihr Gesicht war metallisch grau und bleich. Mit solchen Gesichtern könnte man Hochhäuser betonieren.
    »Verlassen Sie mein Büro«, sagte Sie. »Ich muss mir das nicht bieten lassen. Sie sind keine Angehörige. Sie sind ein hysterisches, unzufriedenes Weib.«
    »Bohdana Iwaniwna«, flehte Lena, »ich verstehe, dass Sie persönlich nichts am System ändern können. Aber Sie können sich selbst ändern. Sie können wenigstens jemandem helfen, wenigstens ein bisschen. Diese Menschen sind Krüppel. Viele von ihnen bedauern, dass sie ihren Unfall, ihre Krankheit überlebt haben. Helfen Sie ihnen und Sie werden sehen, wie gut es sich anfühlt zu helfen statt zu lügen.«
    Bohdana Iwaniwna kam näher und beugte sich über Lena, dass Lena die roten Äderchen ihres Augapfels sehen konnte. Die Farben ihrer Iris hatten sich für immer zu einem einzigen verfaulten schlammigen Farbton vermischt.
    Bohdana Iwaniwna flüsterte:
    »Du wirst nichts erreichen, Lllllena. Und eher wird deine Freundin in ihrem stinkenden Loch verrotten, bevor sie auch nur irgendwas von mir bekommt. Du hättest nicht ›Demokratie‹ spielen dürfen, ich habe dich gewarnt. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«
    Die Beamtin erstrahlte plötzlich im trüben Licht einer gelungenen Rache. Lena blickte in dieses Licht und sah nichts. Die Erde unter ihren Füßen wankte wieder, aber diesmal mit einer Kraft, dass Lena, wie sie es später ausdrückte, ein Gehirnbeben erlitt.
    Sie schnappte nach Bohdana Iwaniwnas Hals und drückte fest zu. Die Frau röchelte und zappelte. Lena drückte immer fester. Sie sah nichts und hörte nichts. Der Hals erinnerte sie an den wildgewordenen Schlauch eines alten Staubsaugers, der den Mist herausblies, anstatt ihn aufzusaugen. Lena musste ihn irgendwie stoppen. Sie schrie:
    »Nicht reden! Geh weg! Ich glaube nicht, dass du existierst! Ich glaube nicht, dass es das geben kann!«
    Das Gesicht der Beamtin lief blau an, ihre Lippen blähten sich auf und die Augen quollen heraus. Sie versuchte sich herauszuwinden und Lenas Hände von ihrem Hals wegzubekommen. Sie kratzte, doch Lenas Zangengriff war jetzt genauso unnachgiebig wie Bohdana Iwaniwnas Lächeln zuvor. Später sagte Lena, sie hätte in ihrem Mund Metallgeschmack gespürt. Ihre Hände, ihre Muskeln und sogar das Blut in ihren Adern wurden eisern.
    Bohdana Iwaniwnas Sekretärin schaute zur Tür herein und schlug Alarm. Ihr Geschrei holte sämtliche Kollegen des ganzen Stockwerks aus ihren Büros. Sie standen ratlos in der Tür und schauten zu, wie die Leiterin des Amts für Sozialpolitik von Lena gewürgt wurde. Einer der Zeugen erzählte später, er habe nicht gewusst, was er machen sollte.
    »So was erlebt man nicht jeden Tag«, wiederholte er immer wieder. »Sie hätten Bohdana Iwaniwnas Gesicht sehen müssen. Es war blau und dick, wie bei einem Frosch. Ich hab mir dann auch noch

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