Silberband 103 - Facetten der Ewigkeit
1.
Iarkus-Telft befand sich auf halbem Weg zwischen der Stadt und den Turmanlagen, als er in die Falle der Duade ging.
Die sengende Hitze des Wüstensands trieb die Monaden zur Raserei. Viele plusterten sich auf und segelten in weitem Bogen dahin, bevor sie irgendwo erschöpft in den Sand zurückfielen. Ihr Toben verriet den nahen Wetterumschwung. Jarkus-Telft fand, dass es an der Zeit war, wenn wieder Bewegung in die träge Atmosphäre kam. Ein Sturm würde nicht nur den Schmutz hinwegfegen, den die Monaden hinterließen, er würde zudem ihre hässlichen Sandsäulen niederreißen, die sie überall errichteten. Was für eine sinnlose Tätigkeit! Diese amöbenhaften Wesen hatten kein Ziel, keinen Lebensinhalt.
Jarkus würde die Neunturmanlage noch rechtzeitig vor dem Wetterumsturz erreichen. Die höchste der Turmruinen war schon über den Dünen zu sehen. Er hatte seine Mission in der Stadt erfüllt und würde wieder einer nützlicheren Beschäftigung nachgehen können. Es galt, die Fehlerquelle zu finden, die den Empfang des Impulses verhindert hatte ...
Urplötzlich gab der Boden unter ihm nach. Der Loower schaffte es nicht, sich aus dem Treibsand freizukämpfen; mit jeder Bewegung sank er tiefer ein.
Dann registrierte er den Psionischen Druck und vernahm die mentale Stimme der Duade. Dich lass ich mir nicht entgehen, Kleiner. Möchte endlich erfahren, was in den Gehirnen meiner Verweser vor sich geht.
Jarkus-Telft versank völlig im Sand, es wurde dunkel um ihn. Instinktiv faltete er die Mantelhäute schützend über seine Sinnesorgane. Erst als er spürte, dass der Sand ihn wieder freigab, entspannte er sich.
Er war in eine Salzsteinhöhle eingebrochen, die im kalten Licht von phosphoreszierenden Kleintieren funkelte. Aus einem senkrechten Spalt zwischen den Kristallgebilden schob sich eine gallertartige Masse in den Vordergrund. Am Ende eines rüsselartigen Fortsatzes entstand eine rhythmisch zuckende Blase, und die ihr entweichende Luft modulierte sich zu einer Stimme.
»Was hast du deiner Königin zu berichten, Trümmermann?«
»Ich war nicht unterwegs, um Bericht zu erstatten«, antwortete Jarkus wahrheitsgetreu. »Der Auftrag des Türmers ...«
»Ich kenne deine Mission. Aber mich interessiert nicht, wie es in eurer Stadt zugeht, sondern welche Fortschritte die Arbeit in der Neunturmanlage macht. Wurde die Fehlerquelle gefunden?«
»Sobald wir den Impuls empfangen, erfährst du es augenblicklich.«
»Ja, ihr könnt mir nichts verheimlichen«, sagte die Duade selbstgefällig. »Aber es genügt mir nicht, zu wissen, dass der ersehnte Impuls von schicksalhafter Bedeutung sein soll. Ich will erfahren, was geschehen wird!«
Der quallenförmige Körper zuckte; ein Zeichen dafür, dass die Duade ihre Erregung kaum beherrschen konnte. »Ihr heruntergekommenes Volk«, schimpfte sie. »Ihr kennt nicht einmal mehr die Bedeutung der größten Errungenschaften eurer Ahnen.«
»Bedenke, welch gewaltige Zeitspanne inzwischen vergangen ist ...«
»Ausreden!«, schimpfte die Duade. »Sieh dir die Neunturmanlage an, dann weißt du, was ich meine. Ihr lasst dieses monumentale Bauwerk einfach verrotten. Die Türme sind in Trümmer gefallen, und ihr tut nichts, um sie wieder in alter Pracht erstehen zu lassen. Wären nicht meine Monaden zur Stelle, um sie einigermaßen in Ordnung zu halten, wäre die Anlage längst unter den Sandmassen begraben.«
»Dafür danken wir dir, deswegen dienen wir dir . «
»Ihr dient mir, weil ihr meine Macht fürchtet!« Die Duade unterbrach sich, und Jarkus-Telft spürte wieder den mentalen Druck, als sie sein Gehirn durchsuchte. Dabei ließ sie an ihrem Pseudorüssel eine riesige Luftblase entstehen, die sich in einem gewaltigen Knall entlud das Äquivalent zu einem Wutschrei.
Jarkus war der Grund für diesen Zornesausbruch klar. Er hatte soeben in voller Absicht an die Entstehungsgeschichte der Duade gedacht. Als die Loower vor vielen Generationen nach Alkyra-II kamen, um die Neunturmanlage zu besetzen, da mussten sie feststellen, dass sich einiges geändert hatte. Unter den einzelligen Monaden war eine Mutation entstanden - die Duade. Dieses Amöbenwesen war ins Riesenhafte gewachsen und hatte Intelligenz und parapsychische Fähigkeiten entwickelt. Damals hatte die Duade gerade ihren Teilungsprozess abgeschlossen und besaß nun zwei Körper, die von einem Geist kontrolliert wurden.
Die Loower hatten die Gefahr erkannt und einen der Körper nach Alkyra-I gebracht. Damit war
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