Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Bewegungen ihrer Beine. Jetzt muss sie nur noch auf ihre Arme achten, und wenn sie sich Zeit lässt und sie nahe am Körper hält, mag man ihre Bewegungen für Geziertheit halten.
Bei einer Frau und ihrer Tochter kauft Emiko einen Teller mit gebratenem U-Tex- Phad Seeu in gefalteten Bananenblättern. Die Frau brät die Nudeln über blauem Methan, was illegal, aber weit verbreitet ist. Emiko sitzt an der behelfsmäßigen Theke, und die Gewürze brennen ihr im Mund. Hin und wieder wirft ihr jemand einen seltsamen Blick zu, und manche verziehen angewidert das Gesicht, aber sie tun nichts. Einige der Leute kennt sie sogar. Die anderen haben ohnehin schon
genug Sorgen, auch ohne sich in die Angelegenheiten der Aufziehmenschen und Weißhemden zu mischen. Das mag seltsam sein, aber es ist zu ihrem Vorteil. Die Weißhemden sind so unbeliebt, dass die Leute, wenn es irgend geht, nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Emiko schaufelt sich die Nudeln in den Mund und denkt einmal mehr über die Worte des Gaijin nach.
Eine Zuflucht für Neue Menschen.
Sie versucht, es sich vorzustellen. Ein ganzes Dorf voller Leute, deren abgehackte Bewegungen und deren glatte Haut sie verraten. Wie sehr sie sich danach sehnt!
Aber da ist auch ein entgegengesetztes Gefühl. Nicht etwa Angst. Sondern etwas, das sie nie erwartet hätte.
Abscheu?
Nein, das ist ein zu starkes Wort dafür. Eher so etwas wie Widerwillen, weil so viele von ihrer Art vor ihren Pflichten schmählich davongelaufen sind. Nur unter sich leben, und nicht einer von ihnen kann es mit Gendo-sama aufnehmen. Eine ganze Stadt voller Neuer Menschen, und niemand, dem sie dienen!
Emiko schüttelt entschlossen den Kopf. Was hat es ihr denn gebracht, dass sie so unterwürfig war? Jetzt muss sie Leuten wie Raleigh gehorchen. Und Kannika.
Und doch … Ein ganzer Stamm aus Neuen Menschen, die sich im Dschungel zusammendrängen? Wie wäre es, einen zweieinhalb Meter großen Arbeiter in den Armen zu halten? Sich ihn zum Geliebten zu nehmen? Oder eines der Tentakelmonster aus Gendo-samas Fabriken, mit zehn Armen wie eine Hindugottheit und einem sabbernden Mund, das nichts anderes vom Leben erwartet als Nahrung und eine Aufgabe für seine Hände? Wie soll es einer solchen Kreatur möglich sein, sich nach Norden durchzuschlagen? Warum sind sie dort, im Dschungel?
Sie unterdrückt ihren Ekel. Schlimmer als Kannika ist es bestimmt nicht. Ihr ist eingetrichtert worden, schlecht von den Neuen Menschen zu denken, obwohl sie selbst zu ihnen gehört. Wenn sie logisch denkt, weiß sie, dass kein Neuer Mensch schlimmer sein kann als der Kunde gestern Abend, der sie gefickt und dann auf ihr ausgespuckt hat, bevor er gegangen ist. Sich einem glatthäutigen Neuen Menschen hinzugeben, wäre bestimmt nicht schlimmer.
Aber was für ein Leben würde sie in einem solchen Dorf führen? Würde sie Kakerlaken essen und Ameisen und den Rest der Blätter, die noch nicht dem Rüsselkäfer erlegen sind?
Raleigh ist eine Kämpfernatur. Du auch?
Sie rührt mit ihren kurzen RedStar-Bambusessstäbchen in den Nudeln. Wie wäre es, niemandem mehr dienen zu müssen? Würde sie das Wagnis auf sich nehmen? Bei der Vorstellung wird ihr ganz schummrig. Was würde sie ohne einen Patron überhaupt tun? Eine Bäuerin werden? Vielleicht in den Bergen Opium anbauen? Eine silberne Pfeife rauchen und ihre Zähne schwärzen, wie es, Gerüchten zufolge, einige der seltsamen Damen aus den Bergstämmen tun? Sie lacht in sich hinein. Kann sie sich das überhaupt vorstellen?
Sie ist so sehr in Gedanken versunken, dass es ihr fast entgangen wäre. Nur pures Glück – die Bewegung eines Mannes am Tisch gegenüber, sein bestürzter Blick und wie er den Kopf senkt und sich ganz auf sein Essen konzentriert – rettet sie. Sie erstarrt.
Mit einem Mal ist es auf dem Nachtmarkt ganz still geworden.
Und dann, wie hungrige Gespenster, tauchen die Männer in Weiß hinter ihr auf und reden in ihrem raschen Singsang mit der Frau, die am Wok steht. Die Frau beeilt sich, sie unterwürfig zu bedienen. Emiko zittert am ganzen Körper, die Nudeln auf halbem Wege zwischen Schüssel und Mund, ihr
Gewicht plötzlich zu groß für ihre Arme. Sie möchte die Essstäbchen beiseitelegen, doch sie kann nichts tun. Wenn sie sich bewegt, verrät sie sich, und so bleibt sie reglos sitzen, während die Weißhemden auf ihr Essen warten und sich unterhalten.
»… endlich den Bogen überspannt. Ich hab gehört, dass Bhirombhakdi durch die Büros gerannt
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